Selbstverwaltung braucht mehr Kompetenzen und Verfassungsrang

von Peter Weiß | 09. Dezember 2024

Es besteht ein erheblicher Reformbedarf bei der sozialen Selbstverwaltung. In unserem kürzlich vorgelegten Schlussbericht für die Sozialwahlen 2023  haben meine Stellvertreterin Doris Barnett und ich dazu zahleiche Vorschläge gemacht (siehe dazu auch hier). Die wichtigsten lauten: Die soziale Selbstverwaltung sollte im Grundgesetz verankert werden und die Kompetenzen für die Selbstverwaltung sollten erweitert werden. Hier werden die Gründe dafür erläutert. 

Die Selbstverwaltung mit Repräsentanten der Versicherten und der Arbeitgeber ist heute ein unverzichtbares Strukturelement bei der Arbeitslosen- sowie bei der gesetzlichen Renten-, Kranken- und Unfallversicherung.

Die Sozialversicherungsträger haben ganz wesentlich zum Erfolg des sozialen Netzes in Deutschland beigetragen. Ihre Verlässlichkeit basiert auch auf dem Verantwortungsbewusstsein und dem Engagement der Selbstverwaltungen mit gewählten Vertreter:innen der Versicherten und der Arbeitgeber.

Kann die soziale Selbstverwaltung ihren Erfolgsweg auch in der Zukunft fortsetzen? Unbedingt: Ja! Aber dazu müssen Selbstverwaltung und Sozialwahl moderner, offensiver und profilierter werden. Also: Sie müssen ihr etwas angestaubtes Image abstreifen und ihren Bekanntheitsgrad deutlich erhöhen.

Die Zukunft der sozialen Selbstverwaltung hängt von der Frage ab, ob diese bei den Versicherten wieder mehr Ansehen und Wertschätzung gewinnt. Mehr bürgerschaftliches Engagement, mehr Bürgerbeteiligung, mehr Demokratie – das sind die Forderungen unserer Zeit. Die soziale Selbstverwaltung macht all dies möglich. Doch sie muss ihr Potenzial auch in die Praxis umsetzen und ihr Wirken in die Öffentlichkeit tragen. Die Alternative zur sozialen Selbstverwaltung wäre staatlicher Dirigismus.

In den Nachwahlbefragungen zur Sozialwahl 2023 haben viele Versicherte die Frage gestellt, ob die soziale Selbstverwaltung für sie überhaupt eine Bedeutung hat, also die Frage nach den Kompetenzen der sozialen Selbstverwaltung. Letztlich entscheidet sich an dieser Frage ihre Zukunft. Es bedarf einer Trendumkehr, wie sie schon im Schlussbericht über die Sozialwahlen 2011 der damalige Bundeswahlbeauftragte für die Sozialversicherungswahlen, Gerald Weiß, und sein Stellvertreter Klaus Kirschner gefordert haben: „Die Tendenz der letzten Jahrzehnte, die der Selbstverwaltung zunehmend Kompetenzen entzogen hat, sollte gestoppt und umgekehrt werden. Der Selbstverwaltung sollten wieder mehr Rechte übertragen und diese damit gestärkt werden.“

Die politisch Verantwortlichen in Regierungen und Parlamenten müssen sich immer wieder klarmachen, dass auch sie ein grundsätzliches Interesse an einer starken Selbstverwaltung haben. Viele Angelegenheiten des Verwaltungsalltags der Träger fangen die Selbstverwaltungen auf. Die Politik kann froh sein, dass sie in diesen Fragen nicht der erste Ansprechpartner ist.

Die Politik sollte durch Akte der Wertschätzung deutlich machen, wie wichtig ihr das Engagement der Selbstverwalter:innen  ist. Zugleich müssen die Selbstverwaltungen dafür sorgen, dass ihre Arbeit in den eigenen Medien der Träger gebührend dargestellt wird.

Zusätzlich sollte der Gesetzgeber, in Anknüpfung an den Art. 161 der Weimarer Reichsverfassung (s. Kasten), die soziale Selbstverwaltung verfassungsrechtlich absichern.

Artikel 161 Weimarer Reichsverfassung

„Zur Erhaltung der Gesundheit und Arbeitsfähigkeit, zum Schutz der Mutterschaft und zur Vorsorge gegen die wirtschaftlichen Folgen von Alter, Schwäche und Wechselfällen des Lebens schafft das Reich ein umfassendes Versicherungswesen unter maßgebender Mitwirkung der Versicherten.“

Im Grundgesetz (GG) der Bundesrepublik Deutschland ist die soziale Selbstverwaltung nicht verfassungsrechtlich garantiert.

Die soziale Selbstverwaltung braucht einen verfassungsrechtlichen Rahmen

Die Sozialversicherung einschließlich der Arbeitsförderung unterfällt der konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz des Bundes (vgl. Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG). Da die Länder aber mit den berufsständischen Versorgungswerken oder dem Blindengeld allenfalls ansatzweise von ihrer Möglichkeit Gebrauch gemacht haben, soziale Risiken auf Landesebene abzusichern, sind die maßgeblichen Regelungen der Sozialversicherung in Bundesgesetzen geregelt.

Der Vollzug dieser Gesetze liegt allerdings nicht bei eigenen Behörden des Bundes. Strukturelles Kennzeichen der Sozialversicherung ist vielmehr ihre Herauslösung aus der unmittelbaren Staatsverwaltung. Träger der Sozialversicherung und für den Gesetzesvollzug zuständig sind seit jeher selbständige Anstalten oder Körperschaften des öffentlichen Rechts, die ihre Mittel im Wesentlichen durch Beiträge ihrer Mitglieder aufbringen. Die Versicherten sind Mitglieder der Träger der Sozialversicherung mit Rechten und Pflichten.

Körperschaftlichen Strukturen ist der Gedanke immanent, dass die Mitglieder der jeweiligen Körperschaft ihre eigenen Interessen in bestimmten Grenzen autonom wahrnehmen und regeln können. Art. 161 der Weimarer Reichsverfassung brachte dies mit den klaren Worten zum Ausdruck, dass das soziales Versicherungswesen von „maßgeblicher Mitwirkung der Versicherten“ gekennzeichnet sein sollte. Es spricht nichts dafür, dass dieses strukturbildende Merkmal der „maßgeblichen Mitwirkung der Versicherten“ unter Geltung des Grundgesetzes „verwässert“ oder gar aufgegeben werden sollte.

Zur DNA der Sozialversicherung gehört ihre mitgliedschaftliche Struktur und damit auch der Gedanke, dass die Mitglieder ihre eigenen Angelegenheiten autonom gestalten. Körperschaftliche Strukturen setzen jedoch voraus, dass die Elemente autonomer Selbstbestimmung und der Mitsprache in eigenen Angelegenheiten so gewichtig sind, dass ein deutlicher Unterschied zur unmittelbaren Staatsverwaltung besteht, die derartige Mitsprache gerade nicht kennt.

Satzungsautonomie muss sicht- und spürbar sein

Als Instrument zur Regelung eigener Angelegenheiten verleiht der Gesetzgeber den Körperschaften Satzungsautonomie. Satzungen sind Rechtsvorschriften, die von einer dem Staat eingeordneten juristischen Person des öffentlichen Rechts im Rahmen der ihr gesetzlich verliehenen Autonomie mit Wirksamkeit für die ihr angehörenden und unterworfenen Personen erlassen werden. Mit der Verleihung der Satzungsautonomie werden die in der Körperschaft zusammengeschlossenen Bürger:innen ermächtigt, durch die von ihnen demokratisch gewählten und gebildeten Organen ihre eigenen Angelegenheiten innerhalb eines von vornherein durch Wesen und Aufgabenstellung der Körperschaft begrenzten Bereichs selbst zu regeln.

Die Verleihung von Satzungsautonomie hat – wie das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) ausführt – ihren guten Sinn darin, gesellschaftliche Kräfte zu aktivieren, den entsprechenden gesellschaftlichen Gruppen die Regelung solcher Angelegenheiten, die sie selbst betreffen und die sie in überschaubaren Bereichen am sachkundigsten beurteilen können, eigenverantwortlich zu überlassen und dadurch den Abstand zwischen Normgeber und Normadressat zu verringern. Zugleich wird der Gesetzgeber davon entlastet, sachliche und örtliche Verschiedenheiten berücksichtigen zu müssen, die für ihn oft schwer erkennbar sind und auf deren Veränderungen er nicht rasch genug reagieren könnte. Das BVerfG hat daher niemals in Zweifel gezogen, dass sich der Autonomiegedanke sinnvoll in das System der grundgesetzlichen Ordnung einfügt.

Allerdings setzt die grundgesetzliche Ordnung der Verleihung und Ausübung von Satzungsgewalt Grenzen. Wo diese Grenze bei den verschiedenen autonomen Körperschaften, Anstalten und Verbänden jeweils verläuft, ergibt sich u.a. aus dem Aufgabenbereich der jeweiligen Körperschaft. Das Grundgesetz überträgt in erster Linie dem Gesetzgeber die Entscheidung darüber, welche Gemeinschaftsinteressen so gewichtig sind, dass das Freiheitsrecht des Einzelnen zurücktreten muss (vgl. BVerfG vom 9.5.1972, Az. 1 BvR 518/62 und 1 BvR 308/64).

Wie weit die gesetzlichen Vorgaben ins Einzelne gehen müssen, hängt von dem jeweiligen Sachbereich, der Eigenart des betroffenen Regelungsgegenstandes sowie der Intensität des Grundrechtseingriffs ab.

Der Bundesgesetzgeber darf – daran besteht keine Zweifel – seine vornehmste Aufgabe nicht anderen Stellen innerhalb oder außerhalb der Staatsorganisation zu freier Verfügung überlassen. Das gilt besonders, wenn der Akt der Autonomieverleihung dem autonomen Verband nicht nur allgemein das Recht zu eigenverantwortlicher Wahrnehmung der übertragenen Aufgaben und zum Erlass der erforderlichen Organisationsnormen einräumt, sondern ihn – wie im Bereich der Sozialversicherung – zugleich zu Eingriffen in den Grundrechtsbereich ermächtigt. Dem staatlichen Gesetzgeber erwächst hier eine gesteigerte Verantwortung: Der verstärkten Geltungskraft der Grundrechte entspricht die besondere Bedeutung aller Akte staatlicher Gewaltausübung, welche die Verwirklichung und Begrenzung von Grundrechten zum Gegenstand haben.

Andererseits würden die Prinzipien der Selbstverwaltung und der Autonomie, die ebenfalls im demokratischen Prinzip wurzeln und die dem freiheitlichen Charakter unserer sozialen Ordnung entsprechen, nicht ernst genug genommen, wenn der Selbstgesetzgebung autonomer Körperschaften so starke Fesseln angelegt würden, dass ihr Grundgedanke, die in den gesellschaftlichen Gruppen lebendigen Kräfte in eigener Verantwortung zur Ordnung der sie besonders berührenden Angelegenheiten heranzuziehen und ihren Sachverstand für die Findung „richtigen“ Rechts zu nutzen, nicht genügenden Spielraum fände.

Für den Bereich der Sozialversicherung ist feststellen, dass der Bundesgesetzgeber die Angelegenheiten der Mitglieder der Träger der Sozialversicherung bis in nahezu jedes Detail durch Bundesgesetz geregelt hat und für satzungsrechtliche Mitsprache der Mitglieder allenfalls noch marginaler Spielraum bleibt (siehe auch hier).

Dies gilt insbesondere für diejenigen Bereiche, in denen die Regelungen der Sozialversicherung für die Mitglieder unmittelbar sicht- und spürbar werden: Das Leistungsrecht und das Beitragsrecht. Die Beitragssätze der Renten-, Pflege- und Arbeitslosenversicherung werden durch Bundesgesetze festgesetzt. Gleiches gilt für die Krankenversicherung mit der Ausnahme des kassenindividuellen Zusatzbeitrags. Am größten sind die Gestaltungsmöglichkeiten insoweit noch in der gesetzlichen Unfallversicherung, die den Beitragssatz nach satzungsrechtlichen Gefahrklassen erheben kann.

Im Bereich des Leistungsrechts sind die Ansprüche der Versicherten weitestgehend bundesgesetzlich geregelt, sieht man von der Möglichkeit ab, dass die Krankenkassen in der gesetzlichen Krankenversicherung satzungsrechtlich Wahltarife anbieten können (vgl. § 53 SGB V). Das BVerfG führt daher mit Blick auf die Sozialversicherung zutreffend aus: „Die staatliche Regelungsdichte ist derart hoch, dass den Sozialversicherungsträgern eine eigenverantwortliche Gestaltung des Satzungs-, Organisations-, Beitrags- und Leistungsrechts weitgehend verwehrt ist“ (BVferG vom 9.6.2004, Az. 2 BvR 1248/03 und 2 BvR 1249/03, Rn. 35).

Die Mitglieder der Körperschaften fragen sich also zu Recht: Was von dem, was die Selbstverwaltungsorgane der Träger der Sozialversicherung selbst regeln können, interessiert mich wirklich? Berührt mich dieser Regelungsbereich unmittelbar in meinen Beitragslasten oder beim Umfang der Leistungen, die mir bei Eintritt des Versicherungsfalles zustehen? Hat meine Stimme bei Sozialversicherungswahlen spürbaren Einfluss auf das, was meine Rechte und Pflichten angeht? Habe ich die Wahl etwa zwischen geringeren Leistungen, Selbstbehalten, begrenzter Auswahl an Leistungserbringern usw. bei gleichzeitiger Verringerung meiner Beitragslast? Oder erhalte ich durch eine Körperschaft mit höheren Beiträgen spürbar bessere Leistungen?

Mehr Satzungsautonomie und damit mehr Demokratie wagen

Sozialversicherungswahlen sind Ausdruck des Demokratiegedankens: Einfluss nehmen, Mitreden und Mitgestalten durch die Wahl von Vertreter:innen der Interessen der Mitglieder. Wo Vertreter:innen als Selbstverwaltungsorgane angesichts der bundesgesetzlich bis ins letzte Detail durchnormierten Materien nur noch Entscheidungen treffen können, die Wähler:innen in ihrer Rechtssphäre nicht oder kaum berühren, und deren Bedeutung sich den Wähler:innen angesichts der Komplexität der Sozialversicherung möglicherweise nicht mehr erschließt, kommt die Frage auf: Weshalb soll ich „in der Sozialversicherung“ wählen gehen? Worin unterscheiden sich die zur Wahl stehenden Personen oder Gruppen oder „Wahlprogramme“ substantiell? Was können die sich zur Wahl stellenden Gruppen – im Falle ihres Obsiegens – bewirken und was habe ich davon?

Wer auf diese Frage keine überzeugende Antwort geben kann, darf sich nicht über eine geringe Wahlbeteiligung bei den Sozialversicherungswahlen beklagten. Die unzweifelhaft immense Bedeutung der Sozialversicherung für jeden Einzelnen schlägt auf Sozialversicherungswahlen nur dann durch, wenn der Bundesgesetzgeber dem satzungsautonomen Regelungsbereich wieder mehr Raum lässt. Dazu muss der Bundesgesetzgeber seine Regelungsmacht jedenfalls in Teilbereichen zurücknehmen und fakultativem Satzungsrecht partiellen Vorrang einräumen. D. h. Bundesrecht sollte in diesen Bereichen nur gelten, soweit die Selbstverwaltungsorgane keine eigenen Regelungen getroffen haben.

Die Einrichtung funktionaler Selbstverwaltung als Ausprägung des Demokratieprinzips des Art. 20 Abs. 2 Grundgesetz mit dem Ziel der Verwirklichung der freien Selbstbestimmung darf zwar nicht dazu führen, dass der Gesetzgeber sich seiner Regelungsverantwortung entäußert. Sie darf aber auch nicht zum Feigenblatt umfassender und nahezu lückenloser Bundesgesetzgebung degenerieren, wenn Selbstverwaltung Ausdruck des Demokratiegedankens bleiben soll.

Autonomie der Selbstverwaltungsorgane im Grundgesetz explizit hervorheben

Es ist verfassungsrechtlich zwar nicht zwingend erforderlich, den Trägern der Sozialversicherung die gleichen Rechte einzuräumen wie Hochschulen und Rundfunkanstalten oder den Gemeinden. Nicht akzeptabel ist es aber, dass ihnen weiterhin auch unter dem Gesichtspunkt der treuhänderischen Wahrnehmung von Versicherteninteressen die Grundrechtsberechtigung mit der Möglichkeit zur Verfassungsbeschwerde abgesprochen wird. Gerade das Finanzvolumen der Sozialversicherung lässt es aussichtslos erscheinen, dass es jedem einzelnen Mitglied möglich ist, sich gegen unzulässige Eingriffe in das Recht der Selbstverwaltung wirksam zur Wehr zu setzen. Das BVerfG hat die Möglichkeit zur Verfassungsbeschwerde einzelner Versicherter insoweit bisher nur für den Fall in Erwägung gezogen, dass die Kasse des Versicherten durch gesetzliche Maßnahmen (wie z. B. den Risikostrukturausgleich) den Beitragssatz anheben muss.

Den Trägern der Sozialversicherung als Treuhänder ihrer Versicherten muss daher sowohl auf der Ebene des einfachen Rechts wie auf der Ebene des Grundgesetzes „der Rücken gestärkt“ werden. Sie müssen, soweit es um die Anliegen ihrer Mitglieder geht, mit eigenen Rechten ausgestattet werden, so dass sie in der Lage sind, sich im Interesse ihrer Mitglieder gegen Übergriffe anderer staatlicher Einrichtungen wirksam zur Wehr setzen zu können. Zur wehrhaften Rechtspositionen der Sozialversicherungsträger durch die gesetzliche Zuerkennung des Körperschaftsstatus und der Zuweisung von Selbstverwaltung siehe etwa die Urteile des Bundessozialgerichts (BSG) vom 18.5.2021 (Az.: B 1 A 2/20 R, Rn. 77) sowie vom 16.7.2019 (Az.: B 12 KR 6/18 R, Rn. 50) und vom 19. Oktober 2023 (Az.: B 1 KR 22/22 R, Rn. 34).

Dies im Sozialgerichtsgesetz klarzustellen, ist überfällig. Dort muss sinngemäß geregelt werden, dass den Trägern der Sozialversicherung der Rechtsweg gegen Akte anderer Träger hoheitlicher Gewalt eröffnet ist, soweit dadurch die von ihnen treuhänderisch wahrgenommenen Interessen oder Rechte ihrer Mitglieder betroffen sind.

Aber auch im Grundgesetz muss die besondere Stellung der Träger der Sozialversicherung als Treuhänder ihrer Mitglieder klar herausgestellt werden. Es muss deutlich werden, dass mit der im Grundgesetz getroffenen Entscheidung, die Sozialversicherung als mittelbare Staatsverwaltung auszugestalten, bereits auch eine Entscheidung für eine substantielle Autonomie der Träger und ihrer Organe getroffen worden ist. Es ist angesichts der heutigen Bedeutung der Sozialversicherung nicht zuletzt auch als „Garant des sozialen Friedens“ in Deutschland, nicht mehr angemessen, im Selbstverwaltungsgrundsatz lediglich eine innerstaatliche Organisationsform der Dezentralisation zu erblicken. Art. 87 Abs. 2 GG ist daher um einen Satz zur Satzungsautonomie zu ergänzen. Dort muss sinngemäß klarstellt werden, dass die Sozialversicherung in Form mittelbarer Staatverwaltung von Körperschaften und Anstalten mit dem Recht zu autonomer Rechtsetzung ausgeführt wird, soweit der Bundesgesetzgeber mit Rücksicht auf Grundrechte und den Grundsatz einheitlicher Lebensverhältnisse keine bundeseinheitlichen Regelungen zu treffen hat.

Peter Weiß

Bundeswahlbeauftragter für die Sozialversicherungswahlen