Gesetz zur Änderung des Infektionsschutzgesetzes und weiterer Gesetze anlässlich der Aufhebung der Feststellung der epidemischen Lage von nationaler Tragweite

zusammengestellt von Hans Nakielski


Gesetzgebungsverfahren

Gesetzentwurf der Fraktionen SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP (BT-Drs. 20/15)

Das Gesetz wurde mit zahlreichen Änderungen (BT-Drs. 20/78 – Beschlussempfehlung) am 18. November 2021 vom Bundestag verabschiedet.

Der Bundesrat hat dem Gesetz in einer Sondersitzung am 19. November 2021 zugestimmt.

Das Gesetz wurde am 23. November 2021 im Bundesgesetzblatt verkündet.

Es trat in seinen überwiegenden Teilen am 24. November 2021 in Kraft. Einige weitere Teile gelten ab dem 1. Januar 2022.


Einige wichtige Inhalte

Hintergrund für das Gesetzespaket ist, dass die vom Bundestag in der letzten Legislaturperiode festgestellte „epidemische Lage von nationaler Tragweite“ am 25. November 2021 auslief und vom neuen Bundestag nicht verlängert wurde. Als Rechtsgrundlage für Grundrechtseinschränkungen und Schutzvorkehrungen im Rahmen der Corona-Pandemie dient seither ein neuer, bundesweit anwendbarer Maßnahmenkatalog.

Mit dem Gesetzespaket wurden nicht nur neue Schutzmaßnahmen (3-G-Regelungen am Arbeitsplatz und im öffentlichen Nah- und Fernverkehr, tägliche Testpflicht in Pflege- Gesundheits- und anderen Einrichtungen für Beschäftigte, Arbeitgeber und Besucher*innen, Homeoffice-Pflicht im Fall von Büroarbeit und vergleichbaren Tätigkeiten) eingeführt oder wieder ermöglicht – vorerst bis zum 19. März 2022. Das Gesetzespaket verlängerte oder erneuerte auch zahlreiche pandemiebedingte Schutzregelungen in den Sozialgesetzen.

Leichterer Zugang zu Hartz-IV-Leistungen:
Die schon mit dem Sozialschutz-Paket I zum 1. März 2020 eingeführten Erleichterungen bei Hartz IV, die mehrfach verlängert wurden (siehe z. B. hier) und Ende 2021 ausgelaufen wären, gelten weiter: zunächst bis Ende März 2022. Allerdings ist die Bundesregierung berechtigt, die Erleichterungen ohne Zustimmung des Bundesrats noch bis zum 31. Dezember 2022 zu verlängern.

Danach werden bei neuen Antragsteller*innen die tatsächlichen Kosten für Unterkunft und Heizung vom Jobcenter als notwendige Ausgaben akzeptiert – auch wenn sie nach den örtlichen Regelungen eigentlich unangemessen hoch sind. Das gilt für die Dauer von 6 Monaten. Wenn sich danach die Situation nicht nachhaltig geändert hat, können die Betroffenen weiterhin Hartz IV erhalten und haben mindestens 6 weitere Monate Zeit, sich eine billigere Wohnung (oder einen Untermieter) zu suchen.

Außerdem gibt es weiterhin für die Dauer von 6 Monaten eine eingeschränkte Vermögensprüfung. Nur wenn „erhebliches Vermögen“ vorliegt, kann es Probleme beim Antrag auf die Grundsicherungsleistung geben. Als „erheblich“ gilt ein sofort verwertbares Vermögen von 60.000 € für das erste zu berücksichtigende Haushaltsmitglied sowie von 30.000 € für jedes weitere Mitglied in der Bedarfsgemeinschaft. In der Regel vermuten die Jobcenter, dass kein erhebliches Vermögen vorhanden ist, wenn die Antragsteller*innen dies im Antrag erklären.

Leichterer Zugang zur Sozialhilfe:
Die oben beschriebenen Erleichterungen bei der Prüfung von Vermögen und Angemessenheit der Wohn- und Heizkosten gelten auch bei Anträgen auf Sozialhilfe weiterhin: zunächst bis Ende März 2022.

Leichterer Zugang zum Kinderzuschlag:
Auch bei Anträgen zum Kinderzuschlag wird – zunächst bis zum 31.3.2022 – das Vermögen weiterhin nicht mehr berücksichtigt, außer wenn es „erheblich“ ist.

Länger Kinderkrankengeld:
Auch für das Jahr 2022 wird der Anspruch auf das Kinderkrankengeld, das regulär für 10 (bei Alleinerziehenden: 20) Arbeitstage pro Kind gezahlt wird, verlängert. Es wird wie 2021 (siehe hier) auch 2022 für maximal 30 Arbeitstage, für Alleinerziehende längstens für 60 Arbeitstage pro Kind gezahlt. Bei mehreren Kindern können die Elternteile 2022 für maximal 65 Arbeitstage Kinderkrankengeld bekommen. Bei Alleinerziehenden sind es höchstens 130 Arbeitstage. Das Kinderkrankengeld gibt es weiterhin nicht nur, wenn ein Kind krank ist, sondern bis zum 19. März 2022 besteht der Anspruch auch, wenn

Eltern(teile), die selbst oder deren Kinder privat krankenversichert sind, bekommen aber kein Kinderkrankengeld. Dasselbe gilt für gesetzlich Krankenversicherte ohne Krankengeldanspruch. Erwerbstätige Eltern(teile), die keinen Anspruch auf das Kinderkrankengeld haben, können aber weiterhin bis zum 19. März 2022 eine Entschädigung nach § 56 Abs. 1a Infektionsschutzgesetz bekommen, wenn sie ihre unter 12-jährigen Kinder aufgrund pandemiebedingter Schul- oder Kitaschließungen oder ausgesetztem Präsenz- oder Hybridunterricht zu Hause betreuen müssen und deshalb nicht arbeiten können.

Länger Arbeitslosengeld bei notwendiger Kinderbetreuung:
Arbeitslose haben bei der notwendigen Beaufsichtigung, Betreuung oder Pflege von unter 12-jährigen Kindern Anspruch auf die Fortzahlung ihres Arbeitslosengeldes, sofern niemand anders im Haushalt diese Aufgabe übernehmen kann. Analog zur Ausweitung des Kinderkrankengeldes wurde für 2022 auch der Anspruch auf die Leistungsfortzahlung ausgeweitet: auf längstens 30 (für Alleinerziehende: 60) Tage für jedes Kind. Bei mehreren Kindern wird das Arbeitslosengeld höchstens 65 (Alleinerziehende: 130) Tage fortgezahlt.

Höhere Hinzuverdienstgrenze bei vorgezogener Altersrente:
Wer sein reguläres Rentenalter noch nicht erreicht hat, darf auch 2022 – wie schon 2021 – bis zu 46.060 Euro hinzuverdienen, ohne dass die vorgezogene Altersrente gekürzt wird. Regulär liegt die Hinzuverdienstgrenze nur bei 6.300 Euro. Auch der Hinzuverdienstdeckel entfällt wieder im Jahr 2022. Das regelt der geänderte § 302 Abs. 8 SGB VI.

Sonderregelungen in Künstlersozialversicherung:
Der besondere Schutz für selbstständige Künstler und Publizisten in dieser Versicherung bleibt auch 2022 erhalten, wenn zusätzliche Einnahmen aus nicht-künstlerischen Tätigkeiten von bis zu 1.300 Euro im Monat erzielt werden. Auch die Mindesteinkommensgrenze (3.900 Euro pro Kalenderjahr aus selbständiger künstlerischer und publizistischer Tätigkeit) muss 2022 nicht erfüllt werden, damit der Versicherungsschutz erhalten bleibt.

Versorgungszuschlag für Krankenhäuser:
Krankenhäuser erhalten wieder einen Versorgungsaufschlag für jeden Covid-19-Patienten, den sie aufnehmen.

Absicherung sozialer Dienstleister:
Damit soziale Dienstleister (z.B. im Bereich der Arbeitsmarktpolitik oder Behindertenhilfe) auch während der Covid-19-Krise weiterhin abgesichert sind, wurde das Sozialdienstleister-Einsatzgesetz bis zum 19. März 2022 verlängert.

Pflege-Sonderregelungen:
Bei der Pflege wurden mehrere pandemiebedingte Sonderregelungen (siehe hier), die teilweise schon ausgelaufen waren, nun wieder eingeführt oder verlängert.

 

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Hans Nakielski

ist Dipl.-Volkswirt und Fachjournalist für Arbeit und Soziales in Köln