von Franz Josef Düwell | Januar 2021
Im Koalitionsvertrag der jetzigen Regierungsparteien heißt es: „Wir wollen mobile Arbeit fördern und erleichtern. Dazu werden wir einen rechtlichen Rahmen schaffen.“ Im Oktober 2020 legte Bundesarbeitsminister Hubertus Heil den Entwurf für ein neues Gesetz vor, mit dem der rechtliche Rahmen für mobile Arbeit und Homeoffice geschaffen werden sollte. Doch darüber kam es zum Streit zwischen den Koalitionspartnern.
Das COVID-19-Virus beschleunigt die Transformation der Arbeitswelt in Richtung Digitalisierung. Zur Eindämmung der Pandemie entdeckten viele Betriebe im April 2020 das Homeoffice. Der so ausgelöste Schub zeigt anhaltende Wirkung. So berichtete die Frankfurter Allgemeine am 18. November 2020: In einer Befragung einer Unternehmensberatung erklärten 66 Prozent der Arbeitgeber: „Wir planen, vermehrt auf Remote Working zu setzen.“ Unter „Remote Working“ wird eine nicht an das Firmenbüro verbundene Arbeit verstanden.
In dieser Situation überraschte es nicht, dass Bundesarbeitsminister Hubertus Heil Anfang Oktober 2020 den Inhalt eines Referentenentwurfs zur Arbeit im Homeoffice vorstellte. Danach sollten die Beschäftigten dem Arbeitgeber mitteilen, ob sie von einem Ort ihrer Wahl außerhalb der Betriebsstätte unter Verwendung von Informationstechnologie ihre Arbeitsleistung erbringen wollen. Der Arbeitgeber sei dann zur Prüfung verpflichtet, ob dem Wunsch der Beschäftigten Gründe entgegenstehen. Wenn der Arbeitgeber sich weigert oder keine tragfähigen Gründe für die Ablehnung mitteilt, sollten die Beschäftigten laut dem Entwurf des Bundesarbeitsministers berechtigt sein, bis zu 24 Tage im Jahr von zu Hause aus zu arbeiten. Dieser Entwurf trug die Bezeichnung „Mobile Arbeit Gesetz – MAG“ (siehe dazu auch hier).
Heftige Gegenreaktion
Nach der Bekanntgabe des Vorhabens kam zu einer heftigen Gegenreaktion. Das arbeitsrechtliche Expertenteam einer Großkanzlei schrieb am 12. Oktober in der Legal Tribune Online, der Entwurf gehe zu weit. Das sah auch das Bundeskanzleramt so und stoppte die Ressortabstimmung. Zwar erklärte Heil noch am 2. November 2020 auf der Betriebsrätekonferenz der SPD-Bundestagsfraktion, er lasse nicht locker. Nach einer Intervention des Bundeswirtschaftsministers Peter Altmaier zog Heil jedoch den Entwurf zurück. Am 15. November vermeldete die Frankfurter Allgemeine: „Das Recht auf Homeoffice ist schon wieder abgeräumt.“ Vielen Arbeitgebern dürfte das gefallen.
Die Notwendigkeit der Regulierung der mobilen Arbeit ist damit jedoch nicht vom Tisch. Der von den Arbeitgebern forcierte Ausbau der mobilen Arbeit benötigt eine den Besonderheiten angepassten Regelung der Rahmenbedingungen. Dazu gehören:
- Regeln zur Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz,
- Bestimmungen zur Erfassung der Arbeitszeit und
- Schließung von Schutzlücken der gesetzlichen Unfallversicherung (siehe dazu auch hier).
Am Teilzeit- und Befristungsgesetz orientieren
Kommt es zu dieser Rahmenregelung, wird sich zwangsläufig auch die Frage eines Anspruchs der Beschäftigten stellen. Kritiker des Anspruchs fallen in eine Position der 1990er Jahre zurück. Damals wurde gegen den Anspruch auf Verringerung der Arbeitszeit eingewandt, Arbeit in Teilzeit funktioniere nicht. Mit dem Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG) wurde 2001 das Gegenteil bewiesen.
Eine vergleichbare Entwicklung wird sich bei der mobilen Arbeit anbahnen. Arbeitgeber wollen teure Büroflächen einsparen. Folglich werden sie – unabhängig von der Pandemie – dazu übergehen, Arbeitsverträge mit Klauseln auszustatten, die ihnen die Zuweisung mobiler Arbeit ermöglichen. Angesichts der dann erzwungenen mobilen Arbeit wird – wie damals bei der Diskussion des Anspruchs auf Teilzeit – der Wunsch der Beschäftigten nach selbst gewählter mobiler Arbeit laut. Diese Stimmung wird die Politik nicht ignorieren können. Das 2001 in § 8 TzBfG geregelte Erörterungs- und Ablehnungsverfahren stellt eine vernünftige Balance zwischen Arbeitgeber- und Arbeitnehmerinteressen her. Es bietet sich als ein Muster für den Interessenausgleich auch hier an.
Neuer Anlauf und neue Übergangsregelungen
Ende November 2020 gab es einen neuen Anlauf zur Regulierung der mobilen Arbeit aus dem Bundesarbeitsministerium (siehe hier).
Im neuen Referentenentwurf für ein Mobile Arbeit-Gesetz ist aber keine Rede mehr von einem gesetzlichen Anspruch auf mobiles Arbeiten. Es soll lediglich eine Erörterungspflicht eingeführt werden.
Weitere verschärfte Schritte gegen die anhaltende COVID-19-Virus- Pandemie führten dann schließlich doch – zumindest übergangsweise im Wege einer Rechtsverordnung – zu einem Recht auf Homeoffice für viele Beschäftigte. Nach der SARS-CoV-2-Arbeitsschutzverordnung, die vom 27. Januar bis zum 15. März 2021 gilt, hat „der Arbeitgeber den Beschäftigten im Falle von Büroarbeit oder vergleichbaren Tätigkeiten anzubieten, diese Tätigkeiten in deren Wohnung auszuführen, wenn keine zwingenden betriebsbedingten Gründe entgegenstehen“. Diese Regelung lehnt sich an einigen Bestimmungen an, die aus dem TzBfG bekannt sind.
Interessant wird es sein, ob sich die Regierungskoalition nicht nur im Rahmen der Bekämpfung der Covid-Pandemie, sondern auch langfristig auf Rahmenregelungen zum mobilen Arbeiten einigen kann. Wenn der Großen Koalition kein Kompromiss gelingt, wird der Anspruch auf Homeoffice ein Thema für den Wahlkampf im Sommer 2021. Ob dann eine bessere Lösung gefunden wird, erscheint zweifelhaft.