Gerichte und Richter:innen der Sozialgerichtsbarkeit

Von Hans Nakielski | Oktober 2022

Wie viele Sozialgerichte gibt es in Deutschland? Und wie viele Richter:innen sind dort tätig?
Hier folgen Zahlen und Fakten dazu.

Für Streitigkeiten zum Sozialrecht ist in Deutschland die Sozialgerichtsbarkeit zuständig. Sie ist – neben der ordentlichen Gerichtsbarkeit sowie der Verwaltungs-, Arbeits- und Finanzgerichtsbarkeit – eine der fünf Fachgerichtsbarkeiten in Deutschland.

Die eigenständige Sozialgerichtsbarkeit ist eine deutsche Besonderheit. In vielen anderen Ländern gibt es keine gesonderten Sozialgerichte. Dort entscheidet die ordentliche Gerichtsbarkeit oder die für arbeitsrechtliche Streitigkeiten zuständige Gerichtsbarkeit vielfach auch über sozialrechtliche Rechtsstreite.

Die Sozialgerichtsbarkeit ist ein relativ junger Zweig der deutschen Judikative. Sozialgerichte gibt es in der Bundesrepublik Deutschland erst seit 1954. In der DDR bestanden keine besonderen Sozialgerichte.

Über welche Streitigkeiten die Sozialgerichte entscheiden, für welche Angelegenheiten sie also zuständig sind, ist in § 51 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) geregelt.

Die Sozialgerichtsbarkeit ist dreistufig aufgebaut.

Abbildung 1: Die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit

Abbildung 1: Die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit

Sozialgerichte

Die unterste Ebene (erste Instanz) bilden die Sozialgerichte (SG). Derzeit gibt es 68 Sozialgerichte in Deutschland. Alle Namen, Orte und Internet-Homepages der Gerichte sind hier aufgelistet. Die Spruchkörper der Sozialgerichte heißen Kammern. Sie sind jeweils mit einem Berufsrichter bzw. einer Berufsrichterin sowie zwei ehrenamtlichen Richter:innen besetzt. Mehr zu den ehrenamtlichen Richter:innen  und ihrer Berufung und Zuständigkeit findet sich hier.

Die einzelnen Regelungen zur Besetzung und Tätigkeit der Sozialgerichte finden sich in den §§ 7 – 23 des SGG.

Landessozialgerichte

Die Berufungsinstanz (zweite Instanz) in der Sozialgerichtsbarkeit bilden die Landessozialgerichte (LSG). In einigen Fragen – etwa bei Aufsichtsangelegenheiten gegenüber Trägern der Sozialversicherung oder bei Streitigkeiten zwischen gesetzlichen Krankenkassen untereinander zum Risikostrukturausgleich – entscheiden die Landessozialgerichte oder bestimmte zuständige LSG allerdings im ersten Rechtszug (§ 29 Abs. 2 – 4 SGG).

Es gibt 14 Landessozialgerichte. In fast jedem Bundesland existiert ein eigenes LSG. Nur die Bundesländer Niedersachsen und Bremen (LSG in Celle) sowie Berlin und Brandenburg (LSG in Potsdam) unterhalten jeweils ein gemeinsames Landessozialgericht.

Die Spruchkörper der Landessozialgerichte heißen Senate. Sie sind jeweils mit drei Berufsrichter:innen und zwei ehrenamtlichen Richter:innen besetzt. Die einzelnen Bestimmungen zu Aufgaben und Besetzung der LSG finden sich in den §§ 28 – 35 SGG.

 Bundessozialgericht

Das oberste deutsche Sozialgericht ist das Bundessozialgericht (BSG). Es entscheidet über das Rechtsmittel der Revision. Bei Streitigkeiten nicht verfassungsrechtlicher Art zwischen dem Bund und den Ländern sowie zwischen verschiedenen Ländern in sozialrechtlichen Angelegenheiten urteilt es auch „im ersten und letzten Rechtszug“ (§ 39 Abs. 2 SGG).

Auch beim BSG heißen die Spruchkörper Senate. Sie sind – genauso wie beim LSG – mit jeweils drei Berufsrichter:innen und zwei ehrenamtlichen Richter:innen besetzt. Die Bestimmungen zur Besetzung und Benennung beim BSG finden sich in den §§ 38 – 50 SGG.

 Zahl der Richter:innen in der Sozialgerichtsbarkeit

Wie viele Richter:innen an den insgesamt 83 Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit (Sozialgerichte, Landessozialgerichte, Bundessozialgericht) in Deutschland arbeiten, lässt sich nicht genau sagen. Zwar veröffentlicht das Bundesamt der Justiz alle zwei Jahre eine „Richterstatistik“, in der auch die Zahl der Berufsrichter:innen in der Sozialgerichtsbarkeit erfasst wird. Die letzte Erhebung erfolgte mit dem Stichtag 31. Dezember 2020 (siehe hier).

Doch die Richterstatistik erfasst keine Kopfzahlen, sondern Personenzahlen nach Arbeitskräfteanteilen. Das bedeutet: Wenn ein Richter ganztags arbeitet, dann wir ihm ein Arbeitskraftanteil von 1,0 zugewiesen, arbeitet er nur halbtags, so beträgt sein Arbeitskraftanteil 0,5. Arbeiten zum Beispiel fünf Richter:innen in einem Senat, davon drei in Vollzeit und zwei halbtags, dann ergeben sich daraus insgesamt nur 4,0 Arbeitskraftanteile. Die Zahl der Arbeitskraftsanteile ist damit niedriger als die Personenzahl.

Insgesamt wurde Ende 2020 den 83 deutschen Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit (Sozialgerichte, Landessozialgerichte, Bundessozialgericht) 1.916,63 Arbeitskräfteanteile registriert. Die Zahl der tatsächlich tätigen Berufsrichter:innen (Personen) dürfte – unter Berücksichtigung der Teilzeitarbeitenden – erheblich höher gewesen sein.

Mit 1.918,63 Arbeitskraftanteilen stellten die Sozialgerichte Ende 2020 die drittmeisten Berufsrichter:innen in allen Gerichtsbarkeiten – hinter den ordentlichen Gerichten (15.976,30 Arbeitskraftanteile) und den Verwaltungsgerichten (2.427,77).

Nach einer weiteren Übersicht des Bundesamtes der Justiz waren Ende 2020 bei den Sozialgerichten 1.428,77 und bei den Landessozialgerichten 448,76 Arbeitskraftanteile im richterlichen Dienst registriert (siehe hier).

Abbildung 2: Richter:innen am Bundessozialgericht

Abbildung 2: Richter:innen am Bundessozialgericht

Zur Zahl der beim Bundessozialgericht tätigen Berufsrichter:innen gibt es genaue Personenangaben: Derzeit sind es 42 (siehe Abbildung 2).

Wie viele ehrenamtliche Richter:innen es in der gesamten Sozialgerichtbarkeit gibt, ist derzeit statistisch gar nicht erfasst.  Nach einer Erhebung des Zentrums für Sozialforschung Halle aus dem Jahr 2018 gab es damals allein bei den Sozialgerichten und beim Landessozialgericht in Baden-Württemberg 1.626 ehrenamtliche Sozialrichter:innen und bei den Sozialgerichten in Berlin waren es 710 (siehe hier, S. 16).

Ältere Schöffenstatistiken des Bundeamtes für Justiz aus den Jahren 2014 und 2017 bezifferten die Zahl der gesamten ehrenamtlichen Richter:innen in der Sozialgerichtsbarkeit mit über 14.000. Sie standen damit zahlenmäßig an dritter Stelle, hinter den bei den Strafgerichten tätigen Schöffen und den eherenamtlichen Richter:innen in der Arbeitsgerichtsbarkeit.

Genaue Zahlen existieren zu den ehrenamtlichen Richter:innen, die beim Bundessozialgericht mitwirken (siehe Abbildung 2). Hier sind derzeit neben 42 Berufsrichter:innen insgesamt 116 ehrenamtliche Richter:innen tätig.

Hans Nakielski

Fachjournalist für Arbeit und Soziales in Köln