Die juristische Ausbildung: Wege zum Recht

Von Konstanze Rothe und Jan Trienekens | 23. Januar 2023

Seit 2007 gibt es einen stetig steigenden Anstieg an Studierenden im Fach Rechtswissenschaften, wobei die Zahlen 2021 erstmals leicht rückläufig waren. Juristinnen und Juristen werden – auch abseits des Sozialrechts – (von der Wiege bis zur Bahre) mit allen Bereichen des Lebens konfrontiert. So bietet sich für ein Studium in diesem Bereich inzwischen eine erhebliche Bandbreite an. Der Arbeitsmarkt sucht nicht nur Studierende mit erstem und zweitem Staatsexamen. Vielmehr verlangt vor allem die Wirtschaft nach Expert:innen in ausgewählten Rechtsgebieten, wie etwa dem internationalen Steuerrecht oder dem Energierecht. Im Folgenden werden Ausbildungswege zur Arbeit im rechtlichen Bereich und die jeweiligen Hauptvor- sowie Nachteile aufgezeigt. Der Beitrag möchte Interessent:innen dazu anregen, sich dezidiert mit der Wahl des eigenen Weges auseinanderzusetzen.

1. Der Bologna-Prozess und die Bedeutung von Rechtskenntnissen

Die 1999 unterzeichnete Erklärung von Bologna und die nachfolgenden Veränderungen im Rahmen des Bologna-Prozesses führten zu nachhaltigen Veränderungen in der universitären Ausbildung. Die akademische Ausbildung in Form von Diplomstudiengängen und Staatsexamen wurde durch ein zweistufiges System berufsqualifizierender Studienabschlüsse (Bachelor/ Master) abgelöst. Dem widersetzte sich aber unter anderem die „klassische“ juristische Ausbildung in Deutschland. Dabei hat der Bologna-Prozess im direkten Vergleich in vielen europäischen Ländern zur Modularisierung der Rechtswissenschaften geführt.

Durch die Schaffung von spezialisierten Bachelor- und Masterprogrammen, die in den vergangenen Jahren entwickelt wurden, wird eine gezielte Ausbildung auf spätere Tätigkeiten beabsichtigt. So soll der Bedarf vor allem der Wirtschaft und der Verwaltung an fachlich gut ausgebildete Rechtsberater:innen gedeckt werden. Gleichzeitig wird der Austauschprozess mit anderen europäischen Ländern bereits während des Studiums durch die modularisierten Studiengänge gefördert und vereinfacht. Der damit ermöglichte – nicht nur fachliche – Kompetenzerwerb macht Absolventinnen und Absolventen sowohl für den internationalen Arbeitsmarkt als auch für Tätigkeiten, die Bezüge zum internationalen Recht aufweisen, besonders attraktiv.

Grundsätzlich sind alle Jurist:innen mit Fällen betraut, die zur vollumfänglichen Verständlichkeit der jeweiligen (Rechts-)Materie nicht nur Kenntnisse der spezifischen Fachrichtung erfordern. Das Wissen um die Schnittstellen zu anderen Rechtsgebieten – zum Beispiel im IT-Recht zu dem Straf-, Vergabe- oder Steuerrecht – ist erforderlich, um eine gute Beratung sicherstellen zu können. Europaweit oder weltweit agierende Unternehmen und Mandant:innen machen es ferner erforderlich, dass profunde Kenntnisse europarechtlicher oder völkerrechtlicher Regelungen gewährleistet und Sprachbarrieren – auch durch die Zuhilfenahme von Kolleginnen und Kollegen – überwunden werden. Juristinnen und Juristen sitzen daher nicht selten zwischen den Stühlen: Ihre Aufgabe besteht darin, Rechtliches zunächst zu verstehen, im nächsten Schritt einfach und verständlich zu erklären sowie daran anschließend anzuwenden. Möglicherweise müssen sie auch Beschäftigte fortbilden oder die Umsetzung der rechtlichen Regelwerke begleiten und verfolgen.

Neben dem stetig wachsenden Aufgabenportfolio einer Juristin oder eines Juristen sind auch immer Haftungsfragen zu bedenken und potenzielle Risiken frühzeitig zu minimieren. Nachfolgend soll zunächst der „klassische“ juristische Ausbildungsweg und im Anschluss daran der Weg über Bachelor- und Masterabschlüsse thematisiert werden. Dabei sei vorweg gesagt, dass sich beide Ausbildungswege auch ergänzen können und gerade mit Blick auf einen interdisziplinär angelegten Austausch sowohl in fachlicher als auch persönlicher Hinsicht sehr wertvoll sein können.

2. Die „klassische“ juristische Ausbildung

Der klassische juristische Ausbildungsweg umfasst die Wahl eines universitären rechtswissenschaftlichen Studiums mit dem Abschluss des ersten Staatsexamens bzw. der ersten juristischen Prüfung.

An die zweigeteilte Ausbildung schließt sich eine praktische Ausbildung – das juristische Referendariat (sog. Vorbereitungsdienst) – an. Dieses kann im Anschluss an das erste Examen absolviert werden. Dort werden verschiedene Stationen (z. B. in der Verwaltung, bei der Staatsanwaltschaft und bei Gericht) absolviert und ebenfalls im Anschluss mit einem Examen – der zweiten juristischen Prüfung – abgeschlossen.

Mit diesem Abschluss erwerben Absolvent:innen die Befähigung zum Richteramt. Die sich damit eröffnenden möglichen Berufsfelder, in Abhängigkeit zur erreichten Examensnote, sind unter anderem:

Vor allem bei letzteren Tätigkeiten ist in der nahen Vergangenheit ein Wunsch der Arbeitgeber nach einer Spezialisierung in einem Rechtsgebiet zu vermerken. So sind besonders steuerrechtliche und vergaberechtliche Fähigkeiten in vielen Wirtschaftskanzleien Einstellungskriterien oder erleichtern bzw. ermöglichen den Einstieg.

Wege, die zu dieser Spezialisierung führen, sind durchaus unterschiedlich. Zunächst können Studierende bereits während ihrer universitären Ausbildung einen Schwerpunkt belegen und erste Fachkenntnisse erlangen. Während des Referendariats ist ein Teil der Stationen wählbar und ermöglicht es, praktische Kenntnisse in einem Fachgebiet zu sammeln oder zu vertiefen.

Auch nach dem Ende der Ausbildung stehen weitere Fortbildungs- und Qualifikationsmöglichkeiten offen. Die bekannteste ist dabei die Erlangung der Bezeichnung als Fachanwältin oder Fachanwalt. Dabei ist es erforderlich, um einen der 24 Fachanwaltstitel (dazu zählt auch der „Fachanwalt für Sozialrecht“) zu tragen, dass die in der Fachanwaltsordnung niedergelegten praktischen und theoretischen Kriterien erfüllt sind.

Zudem bietet sich auch der Anschluss eines Masterstudiengangs (siehe auch 3.2.) an, um Fachwissen zu vertiefen. So existieren verschiedene Masterstudiengänge, die sich an bereits Berufstätige mit einschlägiger Berufserfahrung richten und Jurist:innen den Ausweis von Kenntnissen in einem speziellen Fachgebiet ermöglicht. Diese Studiengänge sind oftmals auch zugängig für Teilnehmende angrenzender Professionen, die einen juristischen Abschluss erwerben wollen. Ein Vorteil dieser Studiengänge kann der interdisziplinäre Austausch sein, der in der Berufspraxis nicht in gleichem Maße gewährleistet wird. Neben der erforderlichen Berufserfahrung sind solche Masterprogramme berufsgleitend ausgelegt, gleichzeitig aber oft auch kostspielig.

Der Wunsch nach Professionalisierung entspricht dabei auch den Wünschen der Mandantinnen und Mandanten an eine vollumfängliche Beratung. Die Arbeitgeber, insbesondere Kanzleien, profitieren ebenfalls von entsprechenden Qualifikationen. So ersetzt bzw. verkürzt eine entsprechende Qualifikation oder Spezialisierung auch die Zeit, die für die Vermittlung etwaiger Grundkenntnisse beim Einstieg in den Beruf notwendig ist. Die Frage der Einarbeitung und Vermittlung von Kenntnissen ist vor allem hinsichtlich der Kosten relevant, da in der Zwischenzeit keine sogenannten „billable hours“ (Verrechnungsstunden) angeführt werden können und gleichzeitig Berufsträger die Einarbeitung übernehmen müssen.

Trotz all dieser Vorteile einer Spezialisierung legt die klassische juristische Ausbildung Wert auf eine generalistische Ausbildung. Im Rahmen des universitären Schwerpunktstudiums, abhängig vom Angebot der jeweiligen Universität, können erste spezifische Kenntnisse erworben werden und die erlernten Grundlagen auf das gewählte Rechtsgebiet angewandt und vertieft werden.

Dem Interesse der Arbeitgeber, aber auch der Studierenden wird damit nur bedingt Genüge getan, zumal viele der praxisrelevanten und sich stetig weiterentwickelnden Rechtsgebiete nur rudimentär behandelt werden (so z. B. IT-Recht oder Wirtschaftsrecht). Vielmehr sind es oft die späteren Arbeitgeber, die Fachkenntnisse und Weiterbildungen durch eigene Akademien und die Zusammenarbeit mit Universitäten und Hochschulen – auch im Ausland – anbieten. Dadurch sollen Kenntnisse vermittelt werden, um sowohl wettbewerbsfähig zu bleiben als auch um einheitliche Standards bei der Bearbeitung der rechtlichen Anliegen zu gewährleisten.

Hervorzuheben ist, dass einige Universitäten bereits im Studium neben der Schwerpunktwahl Zusatzqualifikationen (z. B. im privaten Baurecht) ermöglichen. Hiermit bieten die Universitäten freiwillige Fortbildungen außerhalb des juristischen Curriculums an, die sich konkret auf die Praxis beziehen (so macht zum Beispiel das private Baurecht rund 90 Prozent aller vor den deutschen Gerichten verhandelten Werkverträge aus und ist für ca. 10 Prozent aller bei den Landgerichten anhängigen Verfahren verantwortlich).

3. Neuere Entwicklungen

Daneben ist aber auch eine weitere Entwicklung zu verzeichnen. Universitäten, die auf juristische Staatsexamina vorbereiten, bieten immer häufiger auch parallel zur „klassischen“ juristischen Ausbildung einen juristischen Bachelor an. Bislang wird diese Möglichkeit von Studierenden vor allem als „Rettungsanker“ für den Fall empfunden, dass die erste juristische Prüfung nach mehrjährigem Studium endgültig nicht bestanden wurde. Diskutiert wird aktuell auch, ob und wie dieser Bachelor auf dem Arbeitsmarkt nutzbar gemacht werden kann und welche Weiterbildungsmöglichkeiten – insbesondere nach einem sich anschließenden Masterstudiengang – bestehen.

Die zuvor aufgezählten Berufe setzen eine Befähigung zum Richteramt voraus, welche mit dem Ablegen der zweiten juristischen Prüfung erlangt wird. Bei dem juristischen Bachelor handelt es sich demnach um keinen berufsqualifizierenden Abschluss für die klassischen juristischen Berufe. Der Bachelor ermöglicht jedoch einen Transfer in andere Fachdisziplinen, wie die der Wirtschaft, Technologie oder Geschichte. Der Bachelor of Laws (LL.B.) ist ein relativ neuer akademischer Grad, der international anerkannt ist und die klassische juristische Ausbildung um eine kürzere Variante ergänzt (siehe dazu auch den Beitrag von Markus Ogorek in diesem Thema des Monats).

Bachelorstudiengänge (LL.B.)

Von der zuvor vorgestellten klassischen juristischen Ausbildung abgesehen, ist der Weg zur Berufstätigkeit im Recht über einen Bachelor- und/oder Masterstudiengang deutlich individueller gestaltet. Die universitäre Ausbildung fokussiert hier das Erlangen von Kenntnissen in speziellen Rechtsgebieten, die besonders für den Arbeitsmarkt interessant sind. So besteht die Möglichkeit für Studierende bereits nach einem sechssemestrigen Bachelorstudium mit rechtlicher Ausrichtung in Wirtschaftsunternehmen, bei Finanzdienstleistern, Versicherungen etc. einzusteigen.

Dabei unterscheiden sich die Bachelorstudiengänge nicht nur durch die modulare Gestaltung und die damit verbundene Wahlmöglichkeit von Kursen von denen der klassischen juristischen Ausbildung, sondern auch durch die unterschiedlichen Ausrichtungen des Studiums im Gesamten.

Die Universitäten treten hier mit ihren unterschiedlichen Programmen und Ausrichtungen in den direkten Wettbewerb um künftige Studierende. Da viele der Studiengänge mit Bezügen zum Recht erst in den vergangenen Jahren entwickelt wurden, werden die Inhalte dieser Programme regelmäßig evaluiert und im besten Fall weiterentwickelt. So können diese Studiengänge eine Gewähr dafür bieten, aktuelle Entwicklungen nicht nur des Rechts, sondern auch der Anwendungspraxis der anderen angrenzenden Fachdisziplinen nachzuzeichnen.

Auch wenn bei den Bachelorstudiengängen wahrscheinlich die Ausrichtung auf das Wirtschaftsrecht am größten sein wird, existieren daneben noch weitere Studiengänge, die z. B. in Form eines dualen Studiums gezielt auf die Tätigkeit von Verwaltungsjuristen vorbereiten.

Masterstudiengänge (LL.M.)

Obwohl bereits ein rechtlich ausgerichteter Bachelorstudiengang zur Tätigkeit in der Rechtsberatung befähigt, wird vielfach ein ergänzendes bzw. ein darauffolgendes und vertiefendes Masterstudium, welches im Regelfall mit dem Titel LL.M. (Legum Magister bzw. Magister Legum) verbunden ist, gewählt. Dieses Studium steht dabei je nach Zulassungsordnung nicht nur Personen mit ausschließlich rechtlichen Vorkenntnissen offen. Vielmehr richtet sich das Studienangebot auch an Personen, die

Vorteile der modular aufgebauten Studienordnungen bestehen darin, dass rechtliches Wissen mit Schnittstellenkenntnissen verbunden wird und Zusammenhänge zwischen z. B. Marktwirtschaftsmechanismen und dem Recht aufgezeigt werden, die gute bis sehr gute Beratungsleistungen sicherstellen und daher auch auf dem Arbeitsmarkt Beachtung finden.

Hinsichtlich des Studiums ist im direkten Vergleich zum Weg des ersten Staatsexamens ein besserer Betreuerschlüssel in den Masterstudiengängen zu beobachten: Es besteht ein enger Austausch mit den Lehrkräften, Seminare und Kurse finden in verhältnismäßig kleinen Gruppen statt und fördern somit den Austausch auch unter den Studierenden. Im Vordergrund steht, z. B. an der Universität Kassel, die Einordnung rechtlicher Fragestellungen in das wirtschaftliche und sozialwirtschaftliche System. Der Fokus liegt demnach nicht alleine auf dem Erlernen des juristischen Handwerks und schafft somit die Möglichkeit, den Horizont auf die (Aus-)Wirkungen von Recht zu erweitern.

4. Fazit

So vielfältig wie die Tätigkeitsfelder im Recht sind, so vielfältig gestaltet sich auch der Weg zu den Abschlüssen, die eine berufliche Tätigkeit mit Rechtsanwendung eröffnen. Daher gibt es auch keinen bevorzugten Weg.

Die klassische juristische Ausbildung nimmt einen längeren Zeitraum in Anspruch, vermittelt aber das juristische Handwerk in einer entsprechenden Tiefe, die eine weite Berufsauswahl in allen Rechtsgebieten ermöglicht. Wer demnach aber einen zeitnahen Einstieg in den Beruf sucht, bekommt mit den verschiedenen Möglichkeiten der Bachelorstudiengänge eine zeitlich kürze und inhaltlich zugespitzter Variante.

Masterstudiengänge sind hingegen – unabhängig von dem erlangten ersten Abschluss – eine gute fachliche Ergänzung, um Wissen zu vertiefen und in den interdisziplinären Austausch zu treten. Beide Wege können auch zu einer wissenschaftlichen Betätigung, insbesondere wissenschaftlichen Qualifikation im Rahmen eines Promotionsvorhabens, führen. Spätestens hier werden die Vorteile unterschiedlicher Ausbildungswege deutlich, da gerade Forschung und Wissenschaft von dem Austausch verschiedener Disziplinen und von unterschiedlichen Perspektiven auf das Recht profitieren können.

Ass. iur. Konstanze Rothe

ist wissenschaftliche Mitarbeiterin bei Prof. Judith Brockmann im Fachgebiet Wirtschafts-, Sozial- und Arbeitsrecht an der Universität Kassel

Dipl.-Jur. Jan Trienekens

ist wissenschaftlicher Mitarbeiter bei Prof. Dr. Felix Welti im Fachgebiet Sozial- und Gesundheitsrecht, Recht der Rehabilitation und Behinderung an der Universität Kassel