Ziele des Gesetzes zur Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen (BGG)

von Antonia Seeland | 12.03.2023

Seit 2002 regelt das BGG die Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen für den Bereich der Bundesverwaltung.
Was sind die zentralen Ziele des Gesetzes?

1. Was will das BGG?

Zentrale Regelungen sind das Benachteiligungsverbot (§ 7 Abs. 1 BGG) und die Barrierefreiheit (§ 4 BGG). Das Gesetz ist Teil des Paradigmenwechsels, zu dem sich die Bundesregierung bereits im Jahr 2000 bekannt hat (s. BT-Drs. 14/2913). Es geht um eine inklusive Gesellschaft, die eine gleichberechtigte selbstbestimmte Teilhabe ermöglicht, nicht mehr um Fürsorge und Versorgung der Betroffenen.

2. Verpflichtete

Das BGG verpflichtet in erster Linie Behörden, Anstalten und Körperschaften des Bundes (§ 1 Abs. 1a BGG). Dazu zählen neben den Bundesministerien z. B. das Statistische Bundesamt, bundesunmittelbare Krankenkassen (wie die Techniker Krankenkasse oder die Barmer) oder die Bundesagentur für Arbeit. Darüber hinaus sind auch Landesbehörden nach § 1 Abs. 2 BGG auf die Ziele des BGG verpflichtet, soweit sie Bundesrecht ausführen. Landesbehörden sind ansonsten an die jeweiligen Behindertengleichstellungsgesetze der Länder gebunden. Ein Überblick über die Landes-Gleichstellungsgesetze, die jeweils unterschiedliche Titel haben, findet sich hier.

3. Bedeutung des BGG

Das BGG ist die einfachrechtliche Umsetzung und Ausgestaltung des verfassungsrechtlichen Benachteiligungsverbots in Art. 3. Abs. 3 Satz 2 Grundgesetz (GG). Die Ratifizierung der UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK)  im Jahr 2009 hat neuen Schwung in das Gleichstellungsrecht gebracht. Sie führte maßgeblich zur Reform des BGG im Jahr 2016, das in einigen Regelungen nicht mit der Konvention übereinstimmte (z. B. beim Begriff der Behinderung oder der Berücksichtigung der besonderen Bedarfe von Menschen mit einer sog. geistigen Behinderung).

Für das nationale Gleichstellungsrecht ist das BGG, das nun öffentlich-rechtliche Regelungen zur Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen in einem Gesetzeswerk zusammenfasst, von grundlegender Bedeutung. Zum einen verpflichtet es als Querschnittsgesetz die gesamte Bundesverwaltung zu einem diskriminierungsfreien Umgang mit Menschen mit Behinderungen und auf Barrierefreiheit. Zum anderen ist es insbesondere neben dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG), dem Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG) und dem SGB IX wesentlicher Baustein des nationalen Rechtsgefüges zur Umsetzung der UN-BRK und Art. 3 GG. Nur das Zusammenspiel der nationalen Regelungen kann den Weg für die angestrebte umfassende Teilhabe und eine inklusive Gesellschaft bereiten.

Außerdem enthält das BGG grundlegende Definitionen sowie Vorschriften zu Begriffen und Konzepten, die auch in anderen bundesrechtlichen Vorschriften und in weiteren Regelungen zur Gleichstellung und Antidiskriminierung zentral sind (z. B. „Barrierefreiheit“ in § 17 Abs. 1 Nr. 4 SGB I oder „angemessene Vorkehrungen“). Dem BGG kommt also eine Leitfunktion zu, auch für Verfahrensregelungen der Bundesbehörden und der Gleichstellungsgesetze der Länder, die sich zum Teil eng an den Inhalten des BGG orientieren.

Trotz seiner prinzipiell hohen Bedeutung zeigt die im Rahmen der Evaluation des novellierten BGG durchgeführte Befragung, dass das BGG eher eine „Sonderstellung“ einnimmt und weiterhin zu unbekannt ist – sowohl in der Rechtspraxis als auch in der Fachliteratur. Positiv ist jedoch, dass die Bedeutung des BGG unter den Befragten zugenommen hat im Vergleich zur ersten Evaluation des BGG im Jahr 2014.

Ansatzpunkte, die dabei helfen könnten, die grundlegende Relevanz auch im Alltag der Behörden und Gerichte zu verankern, lassen sich den nachfolgenden Beiträgen in diesem Thema des Monats entnehmen.

Antonia Seeland

wissenschaftliche Referentin für Europäisches Arbeits- und Sozialrecht am Hugo Sinsheimer Institut für Arbeits- und Sozialrecht (HSI) der Hans-Böckler-Stiftung