Warum Hans Hosten sich für ein Referendariat im sozialrechtlichen Bereich entschieden hat
Hans Hosten im Interview | März 2021
Hans Hosten (29) hat bis 2017 Jura an der Humboldt-Universität Berlin studiert. 2017 machte er sein erstes Staatsexamen. Erst danach „entdeckte“ er für sich das Sozialrecht. Seine verschiedenen Stationen im Referendariat hat er sich daher im sozial- und arbeitsrechtlichen Bereich absolviert. Nun hat er im Februar 2021 seine Ausbildung mit dem zweiten Staatsexamen beendet und möchte sich in Zukunft beruflich mit den internationalen Bezügen des Arbeits- und Sozialrechts befassen.
Netzwerk Sozialrecht: Wie sind Sie zum Jurastudium gekommen?
Hosten: Nach dem Abitur habe ich zunächst in Madrid als Barkeeper gearbeitet. Der spanischen Wirtschaft ging es damals, das war 2012, sehr schlecht. Das Wort „Krise“ war in aller Munde und es gab mehrere Generalstreiks. Die sozialen Spannungen beschäftigten mich in dieser Situation sehr und lenkten mein Interesse auf die normativen Grundlagen der Gesellschaft. Ich zog auch in Betracht, Geschichte oder Philosophie zu studieren, habe mich dann aber schließlich für Jura entschieden.
Netzwerk Sozialrecht: Wann und warum haben Sie sich denn dem Sozialrecht zugewandt?
Horsten: Aufgrund meiner Erfahrungen in Spanien hätte es eigentlich nahe gelegen, mich schon im Studium vertieft mit dem Arbeits- und Sozialrecht auseinanderzusetzen. Ich fand aber – wohl mangels Angebot – erst einmal keinen Zugang zu diesen Rechtsgebieten. Nach dem Studium arbeitete ich dann in einer Kanzlei, die auf Vergaberecht spezialisiert ist. In diesem Zusammenhang untersuchte ich, wie soziale Kriterien in Vergabeverfahren stärker berücksichtigt werden können. Hierbei erkannte ich, dass viele für mich wichtige Fragen im Arbeits- und Sozialrecht adressiert werden. Ich entschied mich deswegen, im Referendariat auf diese Bereiche den Fokus zu legen.
„Ich konnte viel Wissen aus anderen Rechtsgebieten transferieren“
Netzwerk Sozialrecht: Warum haben Sie sich denn nicht schon während des Studiums mit dem Sozialrecht beschäftigt?
Horsten: In erster Linie lag das am fehlenden Angebot. An meiner Universität gab es keinen Lehrstuhl für Sozialrecht und es gab auch keinen auf das Sozialrecht ausgerichteten Schwerpunkt. Hätte Sozialrecht auf dem Lehrplan gestanden, hätte ich das Rechtsgebiet sicher schon früher für mich entdeckt. Aber auch nachdem ich mich entschieden hatte, mich ins Sozialrecht einzuarbeiten, stand ich vor gewissen Schwierigkeiten. Im Referendariat gab es keine speziellen Vorbereitungs- oder Vertiefungskurse. Es hat daher etwas Mut erfordert, den Sprung in dieses komplexe und unbekannte Terrain zu wagen.
Netzwerk Sozialrecht: Gibt es für Sie inhaltliche Präferenzen beim Sozialrecht? Und wenn ja: welche und warum?
Horsten: Ich interessiere mich insbesondere dafür, wie sich die Arbeits- und Sozialordnung im Zuge der fortschreitenden Globalisierung entwickelt. Im Referendariat habe ich deswegen eine Station im Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) gemacht, wo ich in dem Referat tätig war, das für die Internationale Arbeitsorganisation und die Vereinten Nationen zuständig ist. Dort habe ich mich vor allem mit internationalen Arbeits- und Sozialstandards beschäftigt. Meine Anwaltsstation habe ich dann bei einem Rechtsanwalt absolviert, der auf das internationale und europäische Arbeitsrecht spezialisiert ist. Von den unterschiedlichen Teilbereichen des Sozialrechts interessiert mich daneben besonders das Recht der Grundsicherung. Für meine Wahlstation im Referendariat war ich deswegen im 7. und 8. Senat des Bundessozialgerichts.
Netzwerk Sozialrecht: Was begeistert oder schätzen Sie am Sozialrecht?
Horsten: Im Sozialrecht werden viele fundamentale Fragen behandelt. Es geht um soziale Sicherheit und damit letztlich um den Zusammenhalt der Gesellschaft. Daneben handelt es sich um ein sehr dynamisches Rechtsgebiet. Immer wieder werden kleinere oder größere Kurskorrekturen vorgenommen. In der Corona-Krise hat sich das noch einmal deutlich gezeigt. Es gibt also viele Themen, über die man sich produktiv streiten kann.
Netzwerk Sozialrecht: Was nervt Sie eher am Sozialrecht oder macht keinen Spaß?
Horsten: Das deutsche Sozialrecht besteht aus unglaublich vielen Normen. Da einen Durchblick zu bekommen, ist durchaus anspruchsvoll. Dagegen unterscheiden sich die Grundlagen des sozialrechtlichen Verwaltungs- und des Gerichtsverfahrens nicht sonderlich von dem, was man schon im Studium zum Verwaltungsverfahren und zur Verwaltungsgerichtsordnung lernt. Ich konnte also viel Wissen transferieren.
Netzwerk Sozialrecht: Herzlichen Dank für das Gespräch.