zusammengestellt von Hans Nakielski
Gesetzgebungsverfahren
Gesetzentwurf (BT-Drs. 19/27400)
Der Bundesrat hat am 26. März 2021 eine ausführliche Stellungnahme zu dem Entwurf abgegeben und zahlreiche Änderungen eingefordert (BR-Drs. 129/21 – Beschluss)
Die Bundesregierung unterstützte in ihrer Gegenäußerung dazu (BT-Drs. 19/28395) vom 13. April 2021 einige Anliegen des Bundesrats, andere verwarf sie.
Der Gesetzentwurf wurde am 26. März 2021 in 1. Lesung im Bundestag beraten (siehe hier).
Das Gesetz wurde am 22. April mit mehreren Änderungen (BT-Drs. 19/28834 – Beschlussempfehlung) im Bundestag beschlossen.
Der Bundesrat hat dem Gesetz am 28. Mai 2021 zugestimmt. Er forderte aber in einer begleitenden Entschließung (BR-Drs. 349/21 – Beschluss) weitere Änderungen.
Das Gesetz wurde am 9. Juni 2021 im Bundesgesetzblatt verkündet.
Es tritt in seinen überwiegenden Teilen am 1. Januar 2022 in Kraft, einige Bestimmungen gelten aber bereits am Tag bzw. im Quartal nach der Verkündung oder ab dem 1. Juli 2021.
Stellungnahme des DGB zum Gesetzentwurf
Einige wichtige Inhalte
Mit dem Teilhabestärkungsgesetz sollen Verbesserungen und mehr Teilhabechancen für Menschen mit Behinderungen erreicht werden. Zudem wird ein Beschluss des Bundesverfassungsgerichts umgesetzt. Dieses hatte am 7. Juli 2020 (Az.: 2 BvR 696/12) geurteilt, dass Teile des Bildungs- und Teilhabepakets im SGB XII mit dem Grundgesetz unvereinbar seien, weil eine unzulässige Aufgabenübertragung durch ein Bundesgesetz auf die Kommunen vorläge (Durchgriffsverbot nach Art. 84 Abs. 1 Satz 7 Grundgesetz). Das Gericht hatte dem Gesetzgeber eine Frist bis Ende 2021 gesetzt, um das Problem zu lösen. Das Teilhabestärkungsgesetz sieht nun u.a. vor:
Trägerbestimmung durch Länder: Künftig bestimmen ausschließlich die Länder, wer für die Aufgabenerfüllung im Rahmen der Erbringung von Leistungen für Bildung und Teilhabe nach dem SGB XII zuständig ist. Damit sind die Leistungen aus dem Bildungs- und Teilhabepaket über das Jahr 2021 hinaus sichergestellt.
Aktive Arbeitsförderung für Rehabilitand*innen: Zur Verbesserung der Teilhabe von Menschen mit Behinderungen, die Leistungen nach dem SGB II beziehen, wird den Jobcentern die Möglichkeit eingeräumt, Eingliederungsleistungen in Arbeit nach den §§ 16a ff. SGB II neben einem Rehabilitationsverfahren zu erbringen. Die von den Reha-Trägern und Jobcentern zu erbringenden Leistungen sind verbindlich zu koordinieren. Die Möglichkeiten der aktiven Arbeitsförderung für Rehabilitand*innen in den Jobcentern und Arbeitsagenturen werden ausgebaut.
Antragsverfahren zum Kurzarbeitergeld auch elektronisch: Anträge auf Kurzarbeitergeld sollen künftig optional auch elektronisch über die Entgeltabrechnungsprogramme der Arbeitgeber und dem damit verbundenen Meldeverfahren übermittelt werden.
Eingliederungshilfe: Die gesetzlichen Kriterien für die Berechnung der Leistungen der Eingliederungshilfe im SGB IX Teil 2 (§ 99 SGB IX) werden neu definiert und an die Begrifflichkeiten der UN-Behindertenrechtskonvention angepasst.
Gewaltschutz: Das SGB IX wird um eine Gewaltschutzregelung ergänzt. Danach sollen die Erbringer von Reha- und Teilhabeleistungen geeignete Maßnahmen treffen, um den Schutz vor Gewalt – insbesondere für Frauen – zu gewährleisten.
Digitale Gesundheits- und Pflegeanwendungen: Durch eine Ergänzung des SGB IX werden digitale Gesundheitsanwendungen in den Katalog der Leistungen zur medizinischen Rehabilitation aufgenommen. Auch in der Hilfe zur Pflege nach dem SGB XII werden digitale Pflegeanwendungen für ambulant versorgte Personen eingeführt.
Budget für Ausbildung: Das Budget wird erweitert. Künftig sollen auch Menschen, die schon in einer Werkstatt für behinderte Menschen arbeiten, über das Budget für Ausbildung gefördert werden können.
Assistenzhunde: Menschen mit Behinderung darf künftig der Zutritt zu typischerweise für den allgemeinen Publikums- und Benutzungsverkehr zugänglichen Anlagen und Einrichtungen nicht wegen der Begleitung durch einen Assistenzhund verweigert werden – auch wenn Hunde sonst verboten sind.
Teilhabeplankonferenz: Es handelt sich dabei um ein schon bestehendes zusätzliches Verfahren der Bedarfsfeststellung. Die Teilhabeplankonferenz stärkt die Beteiligung des Leistungsberechtigten und erleichtert die Abstimmung zwischen den verschiedenen Rehabilitationsträgern. Die Verbindlichkeit dieser Konferenz wird mit dem neuen Gesetz gestärkt. Der verantwortliche Reha-Träger kann jetzt nur noch in eng geregelten Fällen von dem Wunsch einer Teilhabeplankonferenz abweichen.
Betriebliches Eingliederungsmanagement: Hier wird für betroffene Beschäftigte die Möglichkeit geschaffen, eine Vertrauensperson hinzuzuziehen.
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