„Mich reizen die Schnittstellen Arbeitsrecht/Sozialrecht“

Warum Hans-Jürgen Krömker gern Teamleiter beim DGB Rechtschutz ist

November 2021

Hans-Jürgen Krömker ist Volljurist und arbeitet als Rechtsschutzsekretär. Er leitet die Teams der Büros der DGB Rechtsschutz GmbH in Kassel und Fulda. Seit fast drei Jahrzehnten beschäftigt er sich so gleichermaßen mit dem Sozial- wie mit dem Arbeitsrecht.  

Netzwerk Sozialrecht: Wie sind Sie zum Sozialrecht gekommen?

Krömker: Ich habe Jura an der Philipps-Universität Marburg studiert und am Landgericht Kassel das Referendariat absolviert. Sowohl im ersten Staatsexamen als auch im zweiten Staatsexamen hatte ich das Wahlfach Arbeitsrecht gewählt. Meine damalige noch sechs Monate dauernde Wahlstation hatte ich in der „Rechtsabteilung“ des DGB Kreis Kassel absolviert. Während des Studiums spielte das Sozialrecht so gut wie keine Rolle. Ich erinnere mich, dass lediglich zwei Vorlesungen dazu angeboten wurden. Während meiner Wahlstation beim DGB hatte ich zwei gute „Wegbereiter“, die mir den Zugang zum Sozialrecht eröffneten.

Netzwerk Sozialrecht: Als was genau arbeiten Sie heute?

Krömker: Ich vertreten Mitglieder der DGB-Gewerkschaften vor- bzw. außergerichtlich und als Prozessbevollmächtigter vor den Gerichten in Fragen des Arbeits- und Sozialrechtes und im Bereich des Beamtenrechts. Ich bin zugleich Teamleiter in den Büros Kassel und Fulda der DGB Rechtsschutz GmbH und bin in dieser Funktion unter anderem auch zuständig dafür, vakante Stellen zu besetzen. Ich habe regelmäßig Referendar*innen zur Ausbildung in ihrer Wahlstation.

Netzwerk Sozialrecht: Was für Fragen aus dem Sozialrecht beschäftigen Sie hauptsächlich?

Krömker: Kurz umrissen liegen die Schwerpunkte in den Bereichen Erwerbsminderungsrente, Regelaltersrente, medizinische Rehabilitation (SGB VI), Arbeitslosengeld und Sperrzeitproblematik (SGB III), Krankengeldansprüche (SGB V), Leistungen der Grundsicherung (SGB II/SGB XII) sowie bei Fragen aus dem Bereich der Unfallversicherung (Arbeitsunfälle, Berufserkrankungen) und Verfahren zur Feststellung der Schwerbehinderung.

Netzwerk Sozialrecht: Was reizt Sie daran? Was begeistert oder schätzen Sie am Sozialrecht?

Krömker: Es ist nicht nur das Sozialrecht, das mich reizt, sondern es ist auch das „Zusammenspiel“ mit dem Arbeitsrecht bzw. es sind die „Schnittstellen“ zum Arbeitsrecht. Gerade im Bereich der Bestandsschutzverfahren muss man stets auch ein Blick darauf haben, welche sozialrechtlichen Konsequenzen zum Beispiel ein gerichtlicher Vergleich im arbeitsgerichtlichen Kündigungsschutzverfahren auf sozialversicherungsrechtliche Ansprüche (Arbeitslosengeld, Krankengeld) haben kann.

Netzwerk Sozialrecht: Was nervt eher oder macht keinen Spaß?

Krömker: Bei Begriffen wie „Nerven“ oder „keinen Spaß“ tue ich mich außerordentlich schwer, die Frage zu beantworten. Wie sicherlich auch in jedem anderen Berufsfeld gibt es Momente des Zweifels. Nehmen wir als Beispiel die Leistungen zur Grundsicherung nach dem SGB II. Die betroffenen Menschen sind dabei häufig mit einer Vielzahl und manchmal auch kaum zu überblickenden Bescheiden konfrontiert – besonders dann, wenn sie aufgrund ihres geringen Verdienstes auf Aufstockungen nach dem SGB II angewiesen sind. Die Nachprüfung anhand der oft sehr umfangreichen Verwaltungsakte ist zuweilen als Verfahrensbevollmächtigter sehr mühsam und komplex. Wenn am Ende der Prüfung jedoch steht, dass der Leistungsberechtigte bzw. die Leistungsberechtigte einen – wenn auch nur geringfügig – höheren Anspruch hat, hat sich auf jeden Fall die Mühe gelohnt. Denn es ist uns klar, dass jeder Euro am Ende des Monats zählt.

Netzwerk Sozialrecht: Können Sie ihre jetzige Tätigkeit im Sozialrecht mit Erfahrungen in anderen Rechtsgebieten und/oder in einem anderen beruflichen Kontext vergleichen?

Krömker: Die Schnittstellen Arbeitsrecht/Sozialrecht habe ich oben bereits angesprochen. Im arbeitsgerichtlichen Verfahren besteht stets die Möglichkeit, dass man sich im Rahmen eines gerichtlichen Vergleiches gütlich verständigt. Die Verhandlungsmöglichkeiten stehen hier also auf einer breiten Plattform. Diese Form der Vergleichsmöglichkeit besteht im Bereich des Sozialrechtes nur in einem wesentlich geringeren Umfang. Über einen anderen beruflichen Kontext vermag ich leider nichts zu berichten. Ich bin nunmehr seit fast drei Jahrzehnten in den Bereichen des Arbeitsrechts und des Sozialrechts unterwegs.

Netzwerk Sozialrecht: Wie sind die Verdienstmöglichkeiten?

Krömker: Ich bin als Rechtsschutzsekretär bei der DGB Rechtsschutz GmbH angestellt und werde nach dem für die DGB Rechtsschutz GmbH gültigen Tarifvertrag bezahlt. Deshalb bin ich – anders als „freischaffende Rechtsanwält*innen“ – in der guten Situation, dass ich mir um Anwaltsgebühren keine Gedanken machen muss.

Netzwerk Sozialrecht: Müssen Ihre Mandant*innen also nichts bezahlen?

Krömker: Klares nein. Die Mitglieder der DGB-Gewerkschaften erhalten diese Rechtsberatung und Prozessvertretung kostenlos – mit ihrem satzungsgemäßen Mitgliedsbeitrag ist dies abgegolten. Von den DGB-Gewerkschaften erhalten wir für die Mitglieder eine so genannte Rechtsschutzgenehmigung und können ab diesem Zeitpunkt für sie tätig werden. Dabei wird in der Regel nur geprüft, ob die satzungsgemäßen Voraussetzungen – mindestens dreimonatige Mitgliedschaft und Zahlung des satzungsgemäßen Beitrags – vorliegen.  Die DGB-Gewerkschaften übernehmen auch die Gerichtskosten und gegebenenfalls auch Kosten von Gutachten nach einer dann aber eigenen inhaltlichen Beurteilung.

Netzwerk Sozialrecht: Wie sieht es mit Qualifizierungen aus?

Krömker: Wir haben jährlich regelmäßig zu allen Fachgebieten, in denen wir vertreten – also auch zum Beamten- und Verwaltungsrecht – Fortbildungen, die die DGB Rechtsschutz GmbH anbietet. Für Berufsanfänger*innen bietet die DGB Rechtsschutz GmbH die Möglichkeit, sich in das Sozialrecht einarbeiten zu können. Für unsere Berufseinsteiger*innen werden verschiedene Module von Sozialrechtsseminare angeboten, die aufeinander aufbauen und helfen, sich das Rechtsgebiet und die darin anstehenden Fragen zu erschließen.

Netzwerk Sozialrecht: Wie sieht es mit Aufstiegsmöglichkeiten aus?

Krömker: Als Rechtsschutzsekretär*in besteht die Möglichkeit, sich in Kompetenzcentren zu engagieren, wie zum Beispiel innerhalb der Kompetenzcentren Beamtenrecht, Insolvenzrecht etc. Ich selbst bin Teamleiter. Es besteht darüber hinaus noch die Möglichkeit zur Regionalleitung, die die Koordination vieler verschiedenen Teams in verschiedenen Regionen übernehmen und für deren Personal, deren Weiterbildung und Ähnliches tätig sind. Daneben besteht für die Rechtssekretäre*innen auch die Möglichkeit, Vorträge und Seminare (zum Beispiel Schulungen für ehrenamtliche Richter*innen oder Betriebs- und Personalräte) durchzuführen.
Oder, was fachlich stärker akzentuiert ist, es besteht die Möglichkeit, im Centrum für Revision und Europäisches Recht in Kassel die Prozessvertretung für die 3. Instanz und vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) zu übernehmen. Unsere Rechtssekretär*innen in den Teams vertreten vor der 1. und 2. Instanz.

Netzwerk Sozialrecht: Wie steht es um die Möglichkeiten zur Vereinbarkeit von Beruf und Familie?

Krömker: Das ist bei uns gut möglich. Teilzeitarbeit, Elternzeit und Sabbaticals sind bei uns möglich, ebenso mobile Arbeit.

Netzwerk Sozialrecht: Was würden Sie jungen Menschen zur guten beruflichen Entwicklung raten?

Krömker: Ich rate nicht nur „jungen Menschen“, sich für das Sozialrecht zu interessieren, sondern werbe unter anderem auch auf Betriebsräteschulungen stets, den Blick für das Sozialrecht zu schärfen. Berufsanfänger*innen kann ich aus meiner Erfahrung sagen: Das Sozialrecht ist und bleibt spannend und lassen Sie sich nicht von den „dicken Büchern“ der Sozialgesetze abschrecken. Um einen Zugang zum Sozialrecht zu finden, muss man übrigens nicht unbedingt durch das große Portal des Bundessozialgerichtes schreiten. Um einen ersten Zugang zu finden, genügt vielleicht auch die „Hintertreppe“.

Das Interview führte Helga Nielebock.
Sie ist ehemalige Leiterin der Abteilung Recht beim DGB-Bundesvorstand und ehrenamtliche Richterin am Bundesarbeitsgericht.