von Bertold Brücher | 02.05.2023
Um die finanziellen Auswirkungen der stark gestiegenen Preise für die Bürger:innen und die Wirtschaft abzumildern, hat die Bundesregierung 2022 insgesamt drei Entlastungspakete im Gesamtvolumen von rund 100 Milliarden Euro auf den Weg gebracht. Doch löst der Gesetzgeber mit den Entlastungspaketen auch die massiven Probleme von Sozialleistungsbezieher:innen bei inflationsbedingten Preissteigerungen? Um einer Antwort auf diese Frage näherzukommen, werden im Folgenden die wichtigsten einzelnen Maßnahmen der drei Entlastungspakete aufgelistet. Dies erfolgt nach einer Übersicht des Bundesfinanzministeriums (siehe hier).
Die ersten beiden Entlastungspakete
Inflationsbedingten Mehrbelastungen (nicht nur) privater Haushalte in der Zeit ab Sommer 2022 ist der Gesetzgeber mit verschiedenen Maßnahmen („Entlastungspaketen“) entgegengetreten. Das erste und zweite Entlastungspaket umfasst(e) insbesondere folgende Maßnahmen für die Bürger:innen:
- EEG-Umlage entfiel seit 1. Juli 2022
Verbraucherinnen und Verbraucher werden damit bei den Stromkosten um insgesamt 6,6 Milliarden Euro entlastet. - Einmaliger Heizkostenzuschuss
Beziehende von Wohngeld erhielten 270 Euro (bei einem Haushalt mit zwei Personen: 350 Euro, je weiterem Familienmitglied zusätzliche 70 Euro), Azubis und Studierende im Bafög-Bezug 230 Euro. - Einmalige Energiepreispauschale in Höhe von 300 Euro
für alle einkommensteuerpflichtigen Erwerbstätigen und später auch für alle Rentner:innen. - Kinderbonus von 100 Euro
als zusätzliche Einmalzahlung für Familien pro Kind im Jahr 2022. - Einmalzahlung von 200 Euro
für Empfängerinnen und Empfänger von Grundsicherungsleistungen (siehe auch hier). - Einmalzahlung von 100 Euro für Empfänger:innen von Arbeitslosengeld
- Energiesteuer auf Kraftstoffe wurde vom 1. Juni 2022 bis zum 31. August 2022 gesenkt.
Für Benzin reduzierte sich der Energiesteuersatz um 29,55 Cent/Liter, für Dieselkraftstoff um 14,04 Cent/Liter. - Neun-Euro-Ticket für den ÖPNV
im Zeitraum vom 1. Juni 2022 bis 31. August 2022.
Rückwirkend zum 1. Januar 2022 ist
- der Arbeitnehmer-Pauschbetrag um 200 Euro auf 1.200 Euro gestiegen,
- der Grundfreibetrag um 363 Euro auf 10.347 Euro gestiegen und
- die Entfernungspauschale für Fernpendler (ab dem 21. Kilometer) sowie die Mobilitätsprämie auf 38 Cent gestiegen.
Das dritte Entlastungspaket
Mit dem dritten Entlastungspaket (Zustimmung Bundestag am 2.12.2022 und im Bundesrat am 16.12.2022), dessen geschätzter Aufwand den der beiden ersten Entlastungspakete um mehr als das Doppelte übertraf, wurde u. a.
- der vollständige Sonderausgabenabzug von Altersvorsorgeaufwendungen vorgezogen:
die Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung können bereits ab 2023 vollständig als Sonderausgaben berücksichtigt werden, - der Arbeitnehmer-Pauschbetrag zum 1. Januar 2023 auf 1.230 Euro angehoben,
- der Sparer-Pauschbetrag von 801 Euro auf 1.000 Euro angehoben – womit die private Altersvorsorge gestärkt wird – damit sich Sparen und Investieren lohnt,
- die steuerlich berücksichtigungsfähige Homeoffice-Pauschale entfristet und verbessert – somit wird an bis zu 210 Homeoffice-Tagen ein Werbungskostenabzug bei der Einkommensteuer von je 6 Euro möglich, maximal 1.260 Euro pro Jahr,
- die Möglichkeit einer Inflationsausgleichsprämie geschaffen – sie kann der Arbeitgeber seinen Arbeitnehmer:innen bis Ende 2024 als steuer- und abgabenfreie Prämie von bis zu 3.000 Euro zukommen lassen,
- der Entlastungsbetrag für Alleinerziehende angehoben – zum 1. Januar 2023 stieg der Betrag um 252 Euro auf 4.260 Euro,
- der Ausbau von Photovoltaikanlagen gefördert – durch Nullsteuersatz bei der Umsatzsteuer für Lieferung und Installation von Photovoltaikanlagen, Ertragssteuerbefreiung für bestimmte Photovoltaikanlagen.
Während in den beiden ersten Entlastungspaketen u. a. auf der konsumtiven Ebene Entlastungen geschaffen wurden, die sich bei allen Verbraucher:innen kostendämpfend auswirkten, richtete sich das dritte Entlastungspaket vor allem an Erwerbstätige. Ebenfalls im vierten Quartal 2022 wurde, mit Wirkung ab Jahresbeginn 2023, von Bundestag und Bundesrat mit dem Bürgergeld eine – wenn auch nicht inflationsadäquate – Erhöhung der Lebensunterhaltskosten von Grundsicherungsempfangenden vorgenommen (siehe hier).
Grundsicherungsbezieher:innen und Arbeitslose sind besonders belastet
Gleichwohl treffen die Auswirkungen der Inflation, auch unter Berücksichtigung der vorgenannten Leistungen, die Bürger:innen unterschiedlich schwer. Die Betroffenheit ist umso stärker, je höher der Erwerb von Nahrungsmitteln das Gesamtbudget des Haushalts belastet. Das Statistische Bundesamt ging für den März 2023 von einer prozentualen Steigerung des Verbraucherpreisindex (VPI) gegenüber dem März 2022 von 7,4 Prozent aus (von Februar 2023 zu Februar 2022 lag der VPI noch bei 8,4 Prozent). Für Energie stieg der VPI im Februar 2023 um 19,1 Prozent und für Lebensmittel sogar um 21,8 Prozent (siehe hier).
Es ist also zu sehen: Ist ein Haushalt auf den Bezug von Bürgergeld angewiesen oder ist das Haushaltseinkommen vergleichbar gering, werden sich die Kostensteigerung für Nahrungsmittel wesentlich drastischer bemerkbar machen als für Haushalte, die ein durchschnittliches oder höheres Einkommen beziehen. Die Ungleichheit wird so durch die Inflation noch verstärkt.
Soweit zu sehen, wurde eine Gruppe von Betroffenen, die nicht im Erwerbsleben stehen, nicht gesondert berücksichtigt: diejenigen, die im ALG-Leistungsbezug sind und keine weiteren Transferleistungen erhalten. Sie sind zwar berücksichtigt in den Entlastungspaketen, die alle Konsument:innen betreffen – die Höhe des Arbeitslosengelds selbst aber blieb – bis auf einen bescheidenen Zuschlag von 100 Euro – unangetastet. Da der Bemessungszeitraum rückwärtig ist, werden sich auch bei zukünftigen Arbeitslosengeldberechtigten inflationsbedingte höhere Arbeitsentgelte frühestens in Jahresfrist bemerkbar machen.