„Der Reiz liegt in der Vielfalt“

Warum Dr. Martin Krasney jeden Tag auf Neue gern die Rechtsabteilung beim GKV-Spitzenverband leitet

November 2021

Portraitfoto Martin Krasney

Dr. Martin Krasney, Leiter der Rechtsabteilung beim GKV-Spitzenverband

Martin Krasney (Jahrgang 1969) machte nach seinem Abitur zunächst eine Banklehre. Dann studierte er Rechtswissenschaften in Würzburg. Nach dem Abschluss des Referendariats war er als Rechtsanwalt für Gesellschaftsrecht in einer internationalen Wirtschaftskanzlei in Berlin und Stuttgart tätig. Seit 2008 ist Dr. Krasney Leiter des Stabsbereichs Justitiariat beim GKV-Spitzenverband in Berlin. Der GKV-Spitzenverband ist die zentrale Interessenvertretung der gesetzlichen Kranken- und Pflegekassen in Deutschland.

 

Netzwerk Sozialrecht: Wie sind Sie zum Jurastudium gekommen?

Krasney:  Für mich stand erstaunlich früh – bestimmt seit dem 15. Lebensjahr – fest, dass ich Jura studieren wollte. Während meiner Banklehre bestätigte sich meine Entscheidung zum Studium der Rechtswissenschaften dann noch einmal. Die Vielseitigkeit an möglichen Berufsfeldern, die man mit zwei Staatsexamen hat, ist ein großer Vorteil des Jurastudiums. Ferner fand ich das Funktionieren von Staat, Wirtschaft und Gesellschaft und den dafür erforderlichen Konsens zwischen den Akteuren, der sich in den Gesetzen widerspiegelt, beeindruckend und wollte da mitwirken. 

Netzwerk Sozialrecht: Was bewog Sie, sich – eventuell schon im Studium oder Referendariat – dem Sozialrecht zuzuwenden?

Krasney:  Im Studium und Referendariat habe ich mich mit dem Sozialrecht nicht näher auseinandergesetzt. Dies schon mangels attraktiver Studienangebote. Das kam erst später über „Umwege“ und aus verschiedenen Gründen. Die „Umwege“ waren Tätigkeiten in Kanzleien. Aber durch diese Tätigkeiten wurde ich an das Sozialrecht herangeführt und konnte erste Eindrücke von der großen Bedeutung dieses Rechtsgebietes gewinnen.

Netzwerk Sozialrecht: Gab es Schwierigkeiten, sich dem Sozialrecht zuzuwenden?

Krasney: Die gab es eigentlich nicht. Dies mag auch daran liegen, dass ich erst etwas später zum Sozialrecht kam und von daher dessen Bedeutung schon ganz gut einschätzen konnte.

Netzwerk Sozialrecht: Gibt es für Sie inhaltliche Präferenzen beim Sozialrecht?

Krasney:  Ja, die gibt es und sie liegen klar im Gesundheitsrecht (insbesondere SGB V). Dort treffen sozialrechtliche Sicherungen auf wirtschaftliche Interessen, die im Interesse aller und insbesondere der Versicherten und Beitragszahler in Einklang gebracht werden müssen. Das ist schon reizvoll. Ein sozialrechtliches Wirtschaftsrecht für den sozialen Frieden.

Netzwerk Sozialrecht: Was genau machen Sie heute und wie kamen Sie dorthin?

Krasney:  Ich leite die Rechtsabteilung des GKV-Spitzenverbandes. Dazu kam ich über die oben bereits angesprochenen „Umwege“. Die Tätigkeit beim GKV-Spitzenverband deckt im Prinzip die gesamte juristische Tätigkeit ab. Schwerpunkte sind vor allem die Rechtsberatung (insbesondere gegenüber der Leitung und den Gremien), das Führen von komplexen Vertragsverhandlungen (z.B. mit pharmazeutischen Unternehmen, Herstellern von digitalen Gesundheitsanwendungen und den maßgeblichen Verbänden der Leistungserbringer), die rechtliche Vertretung des Verbandes in Schiedsstellenverfahren, die Führung von gerichtlichen Verfahren als Kläger, Beklagter oder Beigeladener und die Betreuung von Verwaltungsverfahren. Ferner ist der Verband Gesellschafter mehrerer Gesellschaften, so dass auch diese – insbesondere in Satzungsfragen – zu beraten sind.

 

„Die Verdienstmöglichkeiten sind wettbewerbsfähig“

Netzwerk Sozialrecht: Was reizt Sie an Ihrer Tätigkeit und am Sozialrecht?

Krasney: Die jetzige Tätigkeit reizt mich tatsächlich jeden Tag aufs Neue. Ich arbeite jeden Tag aufs Neue hin unglaublich gerne. Das weiß ich sehr zu schätzen. Der Reiz liegt in der Vielfalt. Die Nähe zur Sozialpolitik, die Gestaltungsmöglichkeiten und Aufgaben meines Arbeitgebers, die rechtliche Beratung, die forensische Tätigkeit und die damit gegebene Chance, an der gesundheitlichen Versorgung der Menschen beteiligt zu sein. Durch die Vielfalt der Aufgaben müssen wir auch in verschiedenen Rechtsgebieten tätig sein. Der Ausgangspunkt ist oftmals das Sozialrecht und von dort kommt man dann beispielsweise ins Gesellschaftsrecht, Steuerrecht oder eben zu dem mit dem Sozialrecht sehr verbundenen Arbeitsrecht. Das sind nur einige Beispiele, die den Reiz ausmachen. Ich denke, dass dies in den anderen Bereichen des Sozialrechts ebenso ist.

Netzwerk Sozialrecht: Was empfinden Sie als größte Herausforderungen im Sozialrecht? Was nervt eher oder macht keinen Spaß? Gibt es Themen, die Sie nicht so sehr interessieren?

Krasney:  Ich denke, die größten Herausforderungen lassen sich aufgrund der Dynamik gar nicht so sicher fixieren. Allerdings gibt es wohl schon eine Herausforderung als „roten Faden“: Mit Blick auf die Einnahmen und die diese erwirtschaftenden Personen einen finanzierbaren und guten sozialen Schutz für die Menschen zu organisieren, die ihn benötigen. Ein wirkliches „Nervthema“ fällt mir tatsächlich gerade nicht ein. Es gibt keine sozialrechtlichen Themen, die mich nicht interessieren. Allerdings ist es aufgrund der Komplexität der Einzelmaterien nahezu unmöglich, das Sozialgesetzbuch mit allen seinen Büchern so im Blick zu haben, dass man auf dem aktuellen Stand ist, geschweige denn die jeweiligen Problemfelder näher kennt.

Netzwerk Sozialrecht: Können Sie ihre jetzige Tätigkeit im Sozialrecht mit Erfahrungen in anderen Rechtsgebieten oder in einem anderen beruflichen Kontext vergleichen?

Krasney: Meines Erachtens ist die rechtliche Tätigkeit im Sozialrecht schon sehr vergleichbar mit anderen Rechtsgebieten. Es geht insbesondere um Analyse, Erkennen der rechtlichen Probleme, das Finden von rechtspraktischen Lösungswegen, den Ausgleich unterschiedlicher Interessen und die Durchsetzung von Interessen auf den dafür vorgesehenen Wegen. Das ist beispielsweise im Gesellschaftsrecht, Arbeitsrecht oder dem Wettbewerbsrecht nicht anders. Im Sozialrecht kommt allerdings hinzu, dass die Aufgaben mit öffentlichen Mitteln erfüllt werden (Beiträge und Steuern). Dies erfordert auch in der Rechtsberatung einen staatstragenden, ordnungspolitischen und rechtspolitischen Blick, der im Einzelfall möglicherweise eine andere Lösung erfordert, als es der konkret zu bewertende Sachverhalt zunächst nahelegt.   

Netzwerk Sozialrecht: Wie sind die Verdienstmöglichkeiten?

Krasney:  Die sind wettbewerbsfähig.

Netzwerk Sozialrecht: Wie sieht es mit Aufstieg oder Qualifizierungen aus?

Krasney:  In einem Verband sind die Aufstiegschancen überschaubar. Aber es gibt sie. Die Qualifizierungen sind ausgesprochen gut.

Netzwerk Sozialrecht: Wie sind die Möglichkeiten für eine gute Vereinbarkeit von Beruf und Familie?

Krasney: Diese sind wirklich gut. Flexible Arbeitszeiten, gute Ausstattung und die Möglichkeit zum mobilen Arbeiten tragen dazu erheblich bei.

Netzwerk Sozialrecht: Was würden Sie jungen Menschen für eine gute berufliche Entwicklung raten?

Krasney:  Gute Staatsexamina, Offenheit für die Vielfalt an Rechtsgebieten und sich die Chance geben, einen eingeschlagenen beruflichen Weg verlassen zu dürfen, um einen neuen Weg zu gehen. Und ganz wichtig: Eine juristische Tätigkeit finden, die einem Spaß macht, weil sie einen täglich aufs Neue fordert, in der die Routineanteile gering sind und die in einem guten Arbeitsklima stattfindet, das Ihnen Raum für Ihre juristische Kreativität gibt. Dann finden Sie in jedem Rechtsgebiet ihre „Heimat“, Ihren Erfolg, Ihr gutes Einkommen und Ihre Zufriedenheit. Dann wollen Sie eigentlich auch gar nicht mehr aufhören zu arbeiten. Das zu finden, ist aber natürlich eine echte Challenge. Vielleicht hilft ein Praktikum oder eine Station (Verwaltungsstation) bei uns, um den richtigen Weg in ein glückliches Berufsleben einzuschlagen.

Das Interview führte Helga Nielebock.
Sie ist ehemalige Leiterin der Abteilung Recht beim DGB-Bundesvorstand und ehrenamtliche Richterin am Bundesarbeitsgericht.