von Christian Mecke | 3. November 2025
Im Zusammenhang mit den Corona-Impfungen stellen sich nicht nur Fragen nach der Entschädigung für gesundheitliche Schäden. Es geht auch um Fragen der Haftung – etwa von Impfstoffherstellern oder Impfärzt:innen. Und es geht auch um Entschädigungen für diejenigen, denen während der Pandemie die Erwerbstätigkeit verboten wurde. Hier wird – ohne Anspruch auf Vollständigkeit – ein kurzer Überblick über die bisher zu diesem Komplex veröffentlichten obergerichtlichen Entscheidungen der Zivilgerichtsbarkeit geben. Dabei werden auch zwei aktuelle Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts und des Bundesgerichtshofs vorgestellt.
Schon 2023 gab es in der Presse viele Berichte zu Klagen wegen tatsächlicher oder vermeintlicher Impfschäden. Zwei Kanzleien in Düsseldorf und Wiesbaden hatten sich darauf spezialisiert und erregten hiermit große öffentliche Aufmerksamkeit. Dabei ging es allerdings nicht um Ansprüche nach dem Sozialen Entschädigungsrecht, sondern um zivilrechtliche Klagen gegen die Impfstoffhersteller.
Gefährdungshaftung der Impfstoffhersteller?
Die Klagen, die vor allem 2023 große öffentliche Aufmerksamkeit erzeugten, richteten sich in erster Linie gegen die Arzneimittelhersteller. Die Kläger stützen sich dabei auf § 84 Arzneimittelgesetz (AMG).
Dieser enthält eine Gefährdungshaftung des Unternehmers für Gesundheitsschäden durch von ihm in Verkehr gebrachte Arzneimittel. Im Kern lautet die Regelung: Wird infolge der Anwendung eines Arzneimittels ein Mensch getötet oder nicht unerheblich verletzt, so ist der pharmazeutische Unternehmer verpflichtet, dem Verletzten den daraus entstandenen Schaden zu ersetzen. Die Haftung greift aber nur in zwei Fällen:
- Erstens, wenn das Mittel eine schädliche Wirkung hat, die über ein medizinisch vertretbares Maß hinausgeht (erste Haftungsvariante)
- und zweitens bei einer fehlerhaften Kennzeichnung oder fehlerhaften Fach- oder Gebrauchsinformationen (zweite Haftungsvariante).
Die eingereichten Klagen werden auf beide Alternativen gestützt.
Der Charme dieser Haftungsnorm liegt aus Patientensicht in einer Vermutungsregelung. Danach gilt: „Ist das angewendete Arzneimittel nach den Gegebenheiten des Einzelfalls geeignet, den Schaden zu verursachen, so wird vermutet, dass der Schaden durch dieses Arzneimittel verursacht ist.“ Wenig überraschend gilt diese Vermutung nicht bei naheliegenden Alternativursachen, wenn also ein anderer Umstand geeignet ist, den Schaden zu verursachen. Allerdings gibt es auch hier eine Einschränkung. So kann sich der Pharma-Unternehmer nicht darauf berufen, dass der Patient auch andere Arzneimittel bekommen hat, die ebenfalls geeignet sind, den Schaden zu verursachen.
Zu Entschädigungsansprüchen gegen die Hersteller nach einer Corona-Impfung gibt es inzwischen sieben Urteile von Oberlandesgerichten (OLG) – eines aus Frankfurt und sechs aus Koblenz. In vier dieser Urteile hat das OLG Koblenz die Revision zugelassen. Nur gegen das jüngste Urteil vom 23. Juli 2025 (5 U 271/25) ist sie tatsächlich eingelegt worden. Die anderen Urteile sind rechtskräftig. Wann der Bundesgerichtshof über die Revision gegen das Urteil vom Juli 2025 entscheidet, ist noch nicht absehbar.
Daneben sind einige andere Entscheidungen veröffentlicht: Diese betreffen Hinweisbeschlüsse, in denen eine Zurückweisung der Berufung der Kläger im vereinfachten Verfahren angekündigt wird, Klagen auf Deckungszusagen durch die Rechtsschutzversicherung und Beschlüsse über die Ablehnung von Prozesskostenhilfe.
Die einzige für die Kläger positive Entscheidung ist ein Urteil des OLG Bamberg vom 8. April 2024 (4 U 15/23 e).
Alle anderen OLG haben in ihren Urteilen und Beschlüssen die Möglichkeit der Haftung wegen einer medizinisch nicht mehr vertretbaren schädigenden Wirkung des Impfstoffs schon aus Rechtsgründen verneint.
Zusammengefasst hat dies das OLG Karlsruhe in einem Urteil vom 15. Mai 2025 (12 U 141/24).
Danach haben die Gerichte bis dahin eine Unvertretbarkeit stets ohne Beweisaufnahme verneint, weil mit dem Zulassungsbeschluss der Europäischen Kommission ein positives Nutzen-Risiko-Verhältnis bindend festgestellt sei oder weil die Voten der jeweiligen Expertengremien eine hinreichende Erkenntnisquelle seien. Auf den ersten Blick erscheint dies etwas paradox, denn damit dürfte die Unvertretbarkeitshaftung nach § 84 AMG bei bereits zugelassenen Arzneimitteln weitgehend leerlaufen.
Das Urteil des OLG Bamberg vom 8. April 2024 (4 U 15/23 e) hatte einen etwas anderen Fokus: Es betraf nicht den Entschädigungsanspruch selbst, sondern nur einen vorgelagerten Anspruch auf Auskunft. Dabei ging es um den Impfstoff von AstraZeneca. Dieser wird bereits seit Dezember 2021 in Deutschland nicht mehr eingesetzt. Seine Marktzulassung wurde laut Presseberichten auf Antrag des Herstellers im März 2024 aus kommerziellen Gründen widerrufen (siehe hier).
Mit dem Urteil aus Bamberg wurde AstraZeneca verpflichtet, über die dem Unternehmen bekannten Wirkungen und Nebenwirkungen Auskunft zu erteilen, soweit diese für die Vertretbarkeitsbewertung im Rahmen der ersten Haftungsvariante des § 84 AMG (siehe oben) von Relevanz sein können. Die Entscheidung fußt darauf, dass die Bindungswirkung der Zulassungsentscheidung im Zivilprozess in Frage gestellt werden kann.
Dazu muss substantiiert dargelegt werden, welche dem Hersteller damals bereits bekannten Umstände bei der Zulassungsentscheidung nicht berücksichtigt worden sein sollen und dass diese eine andere Entscheidung gerechtfertigt hätten. Alternativ kann dargelegt werden, dass nach der Zulassung Nebenwirkungen des Impfstoffs bekannt geworden sind, die der Zulassung entgegengestanden hätten. Dass die Indizwirkung der Zulassung auf diese Weise erschüttert werden kann, erwähnt auch die jüngste Entscheidung des OLG Koblenz vom 23. Juli 2025 (5 U 271/25). Allerdings hatte der dortige Kläger dazu nichts Erhebliches vorgetragen.
Die zweite Haftungsalternative des § 84 AMG (die Haftung wegen fehlerhafter Kennzeichnung oder Information) wird in den Entscheidungen der OLG ebenfalls behandelt. Bei dieser Alternative muss ein doppelter Ursachenzusammenhang vorliegen:
- Erstens muss die Gesundheitsverletzung auf der Anwendung des jeweiligen Impfstoffs beruhen
- und zweitens muss auch bewiesen sein, dass dieses Arzneimittel bei richtiger Kennzeichnung nicht eingesetzt worden wäre.
In den veröffentlichten Urteilen scheitert die Haftung an verschiedenen Punkten:
Die Begriffe „Kennzeichnung“, „Fachinformation“ und „Gebrauchsinformation“ sind im AMG gesetzlich definiert. Daher begründet ein vermeintlich fehlerhafter Aufklärungsbogen, wie er vor der Impfung an die Patient:innen überreicht wird, von vornherein keine Haftung. Das OLG Koblenz (Urteil v. 18.12.2024 – 5 U 168/24) hat in einem Fall darauf abgestellt, dass in die von der Norm angesprochenen Informationen nur Nebenwirkungen nach dem Stand wissenschaftlicher Erkenntnis aufzunehmen sind. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs erfordert dies einen „ernst zu nehmenden Verdacht“, der auf validen, wissenschaftlichen Daten beruht. Erste Verdachtsmeldungen genügten dem OLG daher nicht.
Häufig scheiterten Ansprüche schon daran, dass ihre Voraussetzungen nicht hinreichend dargelegt worden sind, z. B. dass die Kläger nicht vorgetragen hatten, ob die Information überhaupt vom Arzt oder Impfling gelesen worden ist. Auch ein Anscheinsbeweis wurde wiederholt ausgeschlossen, z. B. weil es keine allgemeine Lebenserfahrung gäbe, dass die Impfung mit dem Impfstoff von Biontech zu einer Autoimmunerkrankung führe. Schließlich wurde auch die Kausalitätsvermutung nach § 84 Abs. 2 AMG regelmäßig abgelehnt. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist hierfür nicht eine lediglich abstrakt-generelle, sondern eine konkrete Verletzungseignung des Arzneimittels erforderlich BGH, Urteil v. 26.03.2013 – VI ZR 109/12, Rn. 11,14).
Daher genügt es nicht, wenn nur eine ungesicherte Hypothese für den ursächlichen Zusammenhang spricht (OLG Koblenz, Urteil v. 12.02.2025 – 5 U 738/24).
Ausblick: Zur Herstellerhaftung nach § 84 AMG könnte es bis Ende nächsten Jahres eine erste Entscheidung des Bundesgerichtshofs geben. Dann wird möglicherweise geklärt sein, ob wegen der Zulassung durch die Europäische Kommission gleichzeitig verbindlich feststeht, dass ein Impfstoff ein positives Nutzen-Risiko-Verhältnis aufweist.
Keine Quarantäne-Entschädigung ohne Impfung
Das Bundesverwaltungsgericht hat am 9. Oktober 2025 über einen Anspruch auf Entschädigung für den Einkommensverlust während der Quarantäne entschieden (3 C 5.24).
In dem Fall ging es um einen ungeimpften Selbstständigen, der sich im Oktober 2021 mit Corona infiziert hatte. Deshalb musste er sich für 14 Tage in Quarantäne begeben. Wegen des Verdienstausfalls beantragte er eine Entschädigung.
Anspruch auf eine solche Entschädigung kann nach § 56 Infektionsschutzgesetz bestehen, wenn jemandem wegen einer Infektion die Ausübung seiner Erwerbstätigkeit verboten wird und wenn dadurch ein Verdienstausfall eintritt. Das gilt auch bei „Absonderung“, also bei der Anordnung von Quarantäne. Allerdings gibt es nach dieser Norm keine Entschädigung, wenn der Betroffene durch eine öffentlich empfohlene Schutzimpfung die Quarantäne hätte vermeiden können.
Genau das war im Fall des Bundesverwaltungsgerichts umstritten. Das Regierungspräsidium Karlsruhe lehnte den Entschädigungsantrag ab, weil der Kläger die Quarantäne durch eine vollständige Impfung hätte vermeiden können. Das Verwaltungsgericht und der Verwaltungsgerichtshof sahen das anders und haben dem Kläger die Entschädigung zugesprochen. Für beide Gerichte kam es darauf an, ob die Impfung mit ausreichend hoher Wahrscheinlichkeit eine Corona-Infektion verhindert hätte, da die Quarantänepflicht auch bei asymptomatischen Infektionen gelte. Beide Gerichte hielten einen Wirksamkeitsgrad der Schutzimpfung von 90 Prozent und mehr für notwendig. Insoweit verwiesen sie auf die Einführung der Ausschlussklausel durch das Masernschutzgesetz von 2020. Die Masernschutzimpfung erreiche eine Wirksamkeit von 98–99 Prozent. Dieses Niveau müsse bei anderen Impfungen zwar nicht vorliegen. Dennoch sei von der Notwendigkeit einer hohen Wirksamkeit von mindestens 90 Prozent auszugehen. Die Wirksamkeit der Corona-Impfung gegenüber der bloßen Infektion habe – anders als gegen schwere Krankheitsverläufe – nach den Mitteilungen des Robert-Koch-Instituts (RKI) damals aber nur bei ca. 73 Prozent gelegen.
Das Bundesverwaltungsgericht hat dies nun anders gesehen. Nach dessen Auffassung bedarf es für den Ausschlusstatbestand des „vermeiden Könnens“ keiner hohen Wahrscheinlichkeit, dass eine Infektion durch die Impfung verhindert wird. Ausreichend für die Vermeidbarkeit sei die (bloße) Möglichkeit, dass die Impfung eine Infektion verhindere. Bei der Corona-Impfung sei dies durch die vom Berufungsgericht festgestellte 73-prozentige Wirksamkeit der Impfung im Oktober 2021 der Fall gewesen.
In einem zweiten Fall hat das Bundesverwaltungsgericht am selben Tag auch entschieden, dass Arbeitgeber, die einem Arbeitnehmer für die Zeit der Quarantäne wegen einer Infektion mit dem SARS-CoV-2-Virus Zahlungen geleistet haben, hierfür keine Entschädigung bekommen können (siehe hier).
Zu erstatten sind nur Leistungen, die Arbeitgeber ihren Arbeitnehmern für einen Verdienstausfall ausbezahlen, den diese durch die Quarantäne erleiden. Die hier betroffenen Arbeitnehmer hätten jedoch keinen Verdienstausfall gehabt, weil sie nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts für diese Zeit Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall gegen den Arbeitgeber haben.
Keine persönliche Haftung der Impfärzte
Ebenfalls am 9. Oktober 2025 hat der Bundesgerichtshof ein Urteil (III ZR 180/24) gesprochen, das Ärzte und anderes Personal betrifft, die Impfungen vorgenommen haben.
Treten nach einer Impfung gesundheitliche Schäden auf, liegt es nahe, zunächst die Impfärzt:innen zu verklagen. So auch in diesem Fall. Der Kläger verlangte von einer niedergelassenen Ärztin 800.000 Euro Schmerzensgeld wegen einer vermeintlich fehlerhaften Boosterimpfung im Dezember 2021. Drei Wochen nach dieser Impfung wurde bei ihm ein schwerer Herzfehler festgestellt.
Bei den Vorinstanzen hatte die Klage keinen Erfolg. Dabei haben die Gerichte offengelassen, ob überhaupt ein Fehler bei der Impfung gemacht wurde und ob der Herzschaden auf die Impfung zurückzuführen ist. Ansprüche gegen die Ärztin hielten sie schon deshalb für ausgeschlossen, weil sie bei der Impfung als Beamtin im haftungsrechtlichen Sinne gehandelt habe. Daher greife die Amtshaftung. Etwaige Ansprüche seien ausschließlich gegen den Staat zu richten. Die Revision hatte das Oberlandesgericht (OLG) zuglassen, weil in der Literatur umstritten ist, ob dieses Haftungsprivileg nur für Ärzt:innen in Impfzentren oder auch für niedergelassene Ärzt:innen gilt.
Der Bundesgerichtshof hat die Rechtsansicht des OLG nun bestätigt und Ansprüche auch gegen niedergelassene Ärzt:innen jedenfalls zunächst ausgeschlossen. In der Pressemitteilung hierzu heißt es:
„Die jeweiligen Leistungserbringer erledigten mit der Durchführung von Schutzimpfungen eine hoheitliche Aufgabe. Sie erfüllten den eigens durch das Bundesministerium für Gesundheit als Verordnungsgeber geschaffenen Anspruch gegen den Staat auf Schutzimpfung gegen das Coronavirus SARS-CoV-2. Dessen hoheitlicher Charakter stand bei der Impftätigkeit im Vordergrund. Daher sind Schutzimpfungen, die auf der Grundlage der Coronavirus-Impfverordnung erfolgten, als noch dem Bereich hoheitlicher Betätigung angehörend anzusehen und alle privaten Leistungserbringer als Verwaltungshelfer einzuordnen. Die Verantwortlichkeit für etwaige Aufklärungs- und Behandlungsfehler dieser Verwaltungshelfer trifft deshalb grundsätzlich den Staat.“
