Corona-Impfschäden:

Ansprüche nach dem Sozialen Entschädigungsrecht und Urteile der Sozialgerichte

von Christian Mecke | 3. November 2025

Das Impfschaden-Recht spielte in der sozialgerichtlichen Praxis über viele Jahre keine große Rolle. Wegen der Corona-Epidemie ändert sich dies jetzt, insbesondere wegen der großen Zahl der Impfungen und der kontroversen Diskussionen um deren Sicherheit. Diese Diskussionen haben viele Menschen auf den Gedanken gebracht, nach der Impfung neu auftretende oder sich verschlechternde gesundheitliche Probleme könnten durch die Impfung verursacht worden sein. Wann kann ein Impfschaden anerkannt werden und zu einer Entschädigung führen? Wie viele Anträge auf Impfschäden wurden bisher gestellt und anerkannt? Wie urteilten die Sozialgerichte bei Klagen?

Wann Impfschäden anerkannt und entschädigt werden

Hat eine Person durch eine Schutzimpfung eine gesundheitliche Schädigung erlitten, kann sie unter bestimmten Voraussetzungen eine Versorgung nach dem Sozialen Entschädigungsrecht erhalten. Dies ist seit dem 1. Januar 2024 im damals neu eingeführten SGB XIV (siehe hier) geregelt. Die Ansprüche für Geschädigte durch Schutzimpfungen finden sich in § 24 SGB XIV.

Jedoch gibt es eine Übergangsregelung für Impfungen, die vor 2024 stattgefunden haben. Daher ist Rechtsgrundlage für die Entschädigung der meisten bisher geltend gemachten Corona-Impfschäden weiterhin § 60 Infektionsschutzgesetz (IfSG), der seit 2024 aufgehoben wurde.

Was ein „Impfschaden“ ist, wird im inzwischen ebenfalls aufgehobenen § 2 Nr. 11 IfSG (heute § 24 Satz 1 a. E. in Verbindung mit § 4 Absatz 1 SGB XIV) definiert. Danach ist ein Impfschaden die „gesundheitliche und wirtschaftliche Folge einer über das übliche Ausmaß einer Impfreaktion hinausgehenden gesundheitlichen Schädigung durch die Schutzimpfung“. Nach dieser Definition sind Ansprüche – wie im gesamten Sozialen Entschädigungsrecht – entlang einer dreigliedrigen Anspruchskette zu prüfen, bei der die drei Glieder jeweils ursächlich miteinander verbunden sein müssen. Bei Impfschäden sind die drei Kettenglieder

Das Vorliegen dieser drei Voraussetzungen muss vollständig bewiesen sein. Dagegen genügt für die Frage der Ursächlichkeit der Impfung für die unübliche Impfreaktion und der Impfreaktion für die Schädigungsfolge jeweils die Wahrscheinlichkeit. Wahrscheinlich ist ein Ursachenzusammenhang nach ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, wenn nach der geltenden medizinisch-wissenschaftlichen Lehrmeinung mehr für als gegen den Zusammenhang spricht und ernste Zweifel ausscheiden. Die reine Möglichkeit als solche genügt nicht, ebenso wenig der Nachweis fehlender konkurrierender Ursachen.

Die Kriterien für übliche und unübliche Impfreaktionen werden in den jährlichen Impfempfehlungen der Ständigen Impfkommission (STIKO) veröffentlicht. Zuletzt erfolgte dies im Januar 2025. „Üblich“ sind danach „das übliche Ausmaß nicht überschreitende, vorübergehende Lokal- und Allgemeinreaktionen, die als Ausdruck der Auseinandersetzung des Organismus mit dem Impfstoff anzusehen sind“. Dies sind z. B. mäßiges Fieber, Kopf- und Gliederschmerzen, Müdigkeit, Mattigkeit oder auch Schwellungen lokaler Lymphknoten, soweit diese Symptome nicht länger als drei Tage anhalten. Auf Basis dieser Kriterien werden Meldungen über Nebenwirkungen an das Paul-Ehrlich-Institut (PEI) gesandt, das diese ausgewertet. Die Meldelisten sind im Internet einsehbar.

Nach dem letzten Sicherheitsbericht des PEI von Ende März 2023 gelten bisher vier Krankheitsbilder als „bekannte Nebenwirkungen“ der zugelassenen Corona-Impfstoffe. Dies sind

Hieran hat sich laut PEI bis Ende 2024 nichts geändert (siehe Sicherheitsbericht 27.12.2020 bis 31.12.2024). Allerdings kommt es hierbei immer auf den neusten Wissensstand an. Dieser ist vorrangig in den Fachinformationen zu den jeweiligen Impfstoffen zu finden.

Was als Impffolgeschaden (Sekundärschaden) gilt, ist – für die Zeit vor dem 1. Januar 2024 – wiederum in § 2 Nr. 11 IfSG gesetzlich definiert. Als Impffolgeschaden gilt danach „die gesundheitliche und wirtschaftliche Folge einer über das übliche Ausmaß einer Impfreaktion hinausgehenden gesundheitlichen Schädigung“. Eine solche gesundheitliche Folge kann z. B. die dauerhafte Lähmung eines Arms oder eine anhaltende Leistungsminderung nach einer Myokarditis (Herzmuskelentzündung) sein. Allerdings müssen diese Folgen jeweils auf die unübliche Impfreaktion zurückzuführen sein.

Bisher rund 600 Fälle von Corona-Impfschäden anerkannt

Zu Ansprüchen nach dem Sozialen Entschädigungsrecht gab es in den letzten Jahren immer wieder Pressemeldungen. Zuletzt hatte die Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) im April 2025 eine Abfrage bei den Versorgungsämtern aller Bundesländer gemacht und darüber berichtet (siehe hier).

Danach sind mehr als 14.000 Anträge auf Anerkennung von Impfschäden gestellt worden. In 573 Fällen wurde ein dauerhafter Impfschaden anerkannt. Das waren 6,2 Prozent der bis dahin beschiedenen Fälle. Wegen abgelehnter Anträge wurden damals mehr als 2.000 Widerspruchsverfahren bearbeitet. Wie viele Klagen damals anhängig waren, ist leider nicht abgefragt worden. Die letzte Zahl hierzu nannte die Neue Osnabrücker Zeitung im Januar 2024. Nach einer von ihr durchgeführten Abfrage hat es damals 129 Klagen gegeben. Berichte aus verschiedenen Sozialgerichten deuten aber darauf hin, dass diese Zahl seither erheblich gestiegen ist.

Betrachtet man das große Bild, erscheinen diese Zahlen als relativ gering. Die Impfungen gegen das Coronavirus begannen in Deutschland am 27. Dezember 2020. Bis Juli 2024 wurden fast zwei Milliarden Impfdosen verabreicht. Geimpft wurden mehr als 65 Millionen Personen. Zuständig für die Überwachung von Nebenwirkungen ist das Paul-Ehrlich-Institut (PEI), das bis März 2023 monatliche Sicherheitsberichte zu den Corona-Impfungen veröffentlichte. Aktuelle Zahlen finden sich im Bulletin zur Arzneimittelsicherheit des PEI, Ausgabe 1/2025.

Unübliche Nebenwirkungen wurden danach bis Dezember 2024 bei rund 351.000 Impfungen gemeldet, darunter immerhin knapp 64.000 schwerwiegende Impfreaktionen. Hierbei handelt es sich allerdings um Verdachtsmeldungen, nicht um nachgewiesene Fälle.

Rechtsprechung zur Entschädigung nach Corona-Impfungen

Zur Frage der Entschädigung von Gesundheitsschäden nach Corona-Impfungen sind bei den juristischen Datenbanken zurzeit neun Entscheidungen von Sozialgerichten und fünf Entscheidungen von Landessozialgerichten veröffentlicht, darunter ein Verfahren im einstweiligen Rechtsschutz. In allen Fällen wurden die geltend gemachten Ansprüche verneint. Als Beispiel für die Gründe können zwei Urteile des Bayerischen und des Hessischen Landessozialgerichts (LSG) gelten.

Entscheidung des Bayerischen LSG

Im Fall des Bayerischen Landessozialgerichts (Urteil v. 30.04.2024 – L 15 VJ 2/23) wurde der 1968 geborene Kläger am 3. Juli 2021 mit dem Impfstoff Comirnaty (Biontech/Pfizer) gegen Covid-19 geimpft. Am 16. Juli 2021 wurde bei ihm eine Unterschenkelvenenthrombose rechtsseitig diagnostiziert. Den vom Kläger daraufhin gestellten Antrag auf Anerkennung und Entschädigung eines Impfschadens lehnte der beklagte Freistaat Bayern mit der Begründung ab, dass sich nach den Erkenntnissen des PEI für den Impfstoff Comirnaty keine signifikante Erhöhung an Thromboseereignissen ergebe.

Auch der Widerspruch, den der Kläger im Wesentlichen damit begründet hatte, dass sich die Beschwerden bereits wenige Tage nach der Impfung eingestellt hätten, blieb erfolglos. Das Sozialgericht München wies die Klage ab, nachdem der mit der Erstellung eines Sachverständigengutachtens beauftragte Internist festgestellt hatte, dass im direkten Anschluss an die Impfung keine Gesundheitsstörung dokumentiert worden sei.

Das Landessozialgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Es fehle der Nachweis einer Ursächlichkeit der Impfung für die kurze Zeit später aufgetretene Thrombose und deshalb zugleich der Nachweis eines Primärschadens, also einer unüblichen Impfreaktion. Nach dem vom LSG eingeholten Gutachten kämen die teilweise lebensgefährlichen Thrombosen nach Covid-19-Impfungen zwar bei Vektorimpfstoffen (AstraZeneca-Vaccephrin) vor, seien aber nach Impfungen mit einem mRNA-Impfstoff so gut wie nie beobachtet worden. Die bei Vektorimpfstoffen auftretende Konstellation mit Thrombose, Nachweis von Autoantikörpern und Thrombozytenmangel sei beim Kläger nicht festgestellt worden. Weil es schon keine seriöse wissenschaftliche Lehrmeinung gebe, die von einem Ursachenzusammenhang zwischen Impfungen mit einem mRNA-Impfstoff und Thrombosen ausgehe, seien auch die Voraussetzungen für die sogenannte Kann-Versorgung nicht erfüllt.

Entscheidung des Hessischen LSG

Vor dem Hessischen Landessozialgericht (Urteil v. 10.07.2025 – L 1 VE 24/24) ging es um einen 1974 geborenen Mann, der im Juni 2021 mit dem Impfstoff Janssen von Johnson & Johnson geimpft wurde. Eine Woche danach kam er ins Krankenhaus. Dort wurde eine Herzmuskelentzündung (Myokarditis) festgestellt. Daraufhin hat er Leistungen wegen eines Impfschadens beantragt. Das Versorgungsamt hat diese abgelehnt, weil nicht mehr für als gegen einen ursächlichen Zusammenhang mit der Impfung spreche. Nach Angaben des PEI vom Februar 2022 seien 33 Fälle einer Myokarditis bei Männern gemeldet worden. Zugleich gebe es eine Hintergrundinzidenz der Myokarditis von 38,59 Fällen pro 100.000 Personenjahren. Deshalb habe sich in der Altersgruppe des Klägers für das PEI kein Risikosignal ergeben.

Das Sozialgericht hat ein Gutachten eines Kardiologen eingeholt und der Klage stattgegeben, weil der Sachverständige festgestellt habe, dass weder vor noch nach der Impfung ein Virusinfekt bei dem Kläger vorgelegen habe und eine andere Ursache als die Impfung nicht in Betracht komme. Es sei daher hinreichend wahrscheinlich, dass die Myokarditis Folge der Impfung sei.

Das Landessozialgericht hat die Entscheidung des Sozialgerichts aufgehoben und die Klage abgewiesen. Nach seiner Auffassung ist nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit nachgewiesen, dass die Myokarditis durch die Impfung verursacht worden ist. Während des Berufungsverfahrens hatte das LSG ein weiteres Gutachten von einer Infektiologin eingeholt, die den Sachverhalt anders bewertete als der Kardiologe. Das Risiko, nach einer Impfung mit dem Impfstoff Janssen eine Myokarditis zu bekommen, hat sie als besonders gering bezeichnet. Dagegen sei das Risiko für eine Myokarditis nach einer Covid-19-Infektion erheblich höher. Das Auftreten von Herzmuskelentzündungen nach einer asymptomatisch verlaufenden Covid-19-Infektion sei wissenschaftlich gut dokumentiert. Zudem könnten solche Entzündungen auch nach Ablauf einer akuten Infektion noch über Wochen und Monate fortdauern. Deshalb ist das LSG zu der Überzeugung gelangt, dass nicht mehr für als gegen die Impfung als Auslöser der Myokarditis spreche.

Fazit

 Mit einer Entscheidung des Bundessozialgerichts zu Corona-Impfschäden ist vorerst nicht zu rechnen: Revisionen wurden bisher nicht zugelassen und Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung, die zur Zulassung der Revision führen könnten, spielten in den veröffentlichten Urteilen bislang keine Rolle. Vielmehr ging es in diesen Verfahren um komplexe medizinische Fragen im Einzelfall.

Bei der Beurteilung einzelner Fälle ist darauf zu achten, um welchen Impfstoff und um welche Erkrankung es konkret geht, denn nicht alle öffentlich diskutierten Impfschäden treten bei allen Impfstoffen gleichermaßen auf. Zudem wird es für die Gerichte häufig schwierig sein, gute Sachverständige zu finden, die wirklich mit dem aktuellen Stand der medizinischen Wissenschaft in diesem Bereich vertraut sind. Dieser ist beständig im Wandel, denn die Wissenschaft gewinnt laufend neue Erkenntnisse, weshalb auch die Gerichte immer am Ball bleiben und ihren eigenen Kenntnisstand hinterfragen müssen.

Dr. Christian Mecke

Richter am Bundessozialgericht