zusammengestellt von Hans Nakielski
Gesetzgebungsverfahren
Gesetzentwurf der Bundesregierung (BT-Drs. 20/6871)
Der Entwurf wurde am 23. Juni 2023 mit zahlreichen Änderungen (s. BT-Drs. 20/7397 – Beschlussempfehlung) vom Bundestag beschlossen.
Der Bundesrat hat das Gesetz am 7. Juli 2023 gebilligt.
Es ist am 26. Juli 2023 im Bundesgesetzblatt veröffentlicht worden.
Einzelne Regelungen sind bereits am 27. Juli 2023 in Kraft getreten, andere Teile werden erst zu späteren Zeitpunkten (1. August 2023, 27. Dezember 2023, 1. Februar 2024) wirksam.
Stellungnahme zum Referentenentwurf des GKV-Spitzenverbandes
Einige wichtige Inhalte
Da es in der Vergangenheit zu einem deutlichen Anstieg von Lieferengpässen, insbesondere bei patentfreien (sogenannten generischen) Arzneimitteln – insbesondere Antibiotika und Fiebersäften für Kinder – gekommen war, soll das Gesetz vor allem die Versorgungssicherheit mit Arzneimitteln kurz- und langfristig stärken. Es regelt unter anderem Änderungen des Arzneimittelgesetzes, des SGB V, des Apothekengesetzes, des Betäubungsmittelgesetzes, des Notfallsanitätergesetzes sowie weiterer Gesetze und Verordnungen.
Das Gesetz bestimmt zur Vermeidung von Lieferengpässen bei Arzneien insbesondere:
- Für Kinderarzneimittel werden Festbeträge und Rabattverträge abgeschafft. Die pharmazeutischen Unternehmer können ihre Abgabepreise einmalig um bis zu 50 Prozent des zuletzt geltenden Festbetrages bzw. Preismoratoriums-Preises anheben. Zukünftig dürfen keine Festbetragsgruppen mehr mit Kinderarzneimitteln gebildet werden.
- Antibiotika mit Wirkstoffproduktion in der EU und im Europäischen Wirtschaftsraum müssen bei Ausschreibungen von Kassenverträgen zusätzlich berücksichtigt werden. Die Anbietervielfalt soll so erhöht werden.
- Der Preisdruck durch Zuzahlungsbefreiungsregeln wird gesenkt: Statt bislang 30 Prozent liegt die Zuzahlungsbefreiungsgrenze künftig bei 20 Prozent. Das bedeutet: Liegt der Preis mindestens 20 Prozent unter dem Festbetrag, kann der GKV-Spitzenverband Arzneimittel von der Zuzahlung freistellen.
- Die Austauschregeln für Apotheken werden vereinfacht. Ist ein Arzneimittel nicht verfügbar, dürfen Apotheker:innen ein wirkstoffgleiches Arzneimittel abgeben. Für den Austausch sollen Apotheken und Großhändler einen Zuschlag erhalten. Können die Arzneimittel nur noch in Kleinpackungen abgegeben oder muss aus einer Packung eine Teilmenge entnommen werden, wird die Zuzahlung für die Versicherten auf die abgegebene Menge begrenzt.
- Preisinstrumente für versorgungskritische Arzneimittel können im Fall einer Marktverengung gelockert werden. Gibt es bei wichtigen Arzneimitteln zu wenig Anbieter, können der Festbetrag oder das Preismoratorium einmalig um 50 Prozent angehoben werden.
- Es werden erhöhte verbindliche Bevorratungspflichten von Arzneimitteln eingeführt. Pharmazeutischen Unternehmen wird für rabattierte Arzneimittel künftig eine sechsmonatige Lagerhaltung vorgeschrieben. Dies soll kurzfristigen Lieferengpässen vorbeugen, gesteigerte akute Mehrbedarfe ausgleichen und eine bedarfsgerechte Versorgung sicherstellen.
- Auch Krankenhausapotheken und krankenhausversorgende Apotheken müssen ihre Vorräte von Antibiotika zur intensivmedizinischen Versorgung und Arzneien, die durch Injektionen oder Infusionen verabreicht werden, aufstocken. Wenn bei Krebsarzneimitteln ein Engpass absehbar wird, gilt das auch für Apotheken, die daraus anwendungsfertige Zubereitungen herstellen. Darüber hinaus wird der Großhandel verpflichtet, die Bevorratung mit Kinderarzneimitteln auf vier Wochen zu erhöhen.
- Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) erhält zusätzliche Informationsrechte u.a. gegenüber Herstellern und Krankenhausapotheken. Damit sollen vorhandene Strukturen zur Bewältigung von Lieferengpässen bei Arzneimitteln werden gestärkt werden. Zudem wird ein Frühwarnsystem zur Erkennung von drohenden Lieferengpässen eingerichtet.
- Die Regeln zur Preisbildung werden so angepasst, dass der finanzielle Anreiz für die Forschung und Entwicklung von neuen Reserveantibiotika für pharmazeutische Unternehmen verstärkt wird.
Darüber enthält das Gesetz auch Bestimmungen außerhalb der Vorschriften für die Arzneimittelversorgung, zum Beispiel:
Gabe von Betäubungsmitteln durch Notfallsanitäter: Notfallsänitäter:innen können künftig Betäubungsmittel rechtssicher aufgrund standardisierter ärztlicher Vorgaben verabreichen, wenn dies im Notfall, z.B. zur akuten Schmerzbehandlung bei Unfällen, notwendig ist und kein Arzt oder keine Ärztin greifbar ist.
Telefonische Krankschreibung: Die in der Corona-Pandemie eingeführte Sonderregelung zur Feststellung der Arbeitsunfähigkeit nach telefonischer Anamnese soll auch künftig möglich sein. Bis zum 31. Januar 2024 soll der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) in seinen Richtlinien Regelungen zur Feststellung der Arbeitsunfähigkeit bei Erkrankungen, die keine schwere Symptomatik vorweisen, beschließen. Die telefonische Krankschreibung soll allerdings nur für Patient:innen gelten, die in der jeweiligen ärztlichen Praxis bekannt sind.
Drug-Checking: Es werden die rechtlichen Voraussetzungen geschaffen, dass in den Bundesländern Modellvorhaben zum sogenannten Drug-Checking durchgeführt werden können. Darunter versteht man die chemische Analyse von zumeist auf dem Schwarzmarkt gehandelten Drogen. Ziel der Maßnahme ist es, Drogennutzende besser aufzuklären und zu beraten, Schaden zu minimieren und einen besseren Überblick über das Geschehen vor Ort zu bekommen. Die Bundesländer sind für die weitere Umsetzung verantwortlich.